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Castleman-Krankheit und Differentialdiagnosen

Veröffentlicht am 09.04.2021 • Von Charlotte Avril

Die Castleman-Krankheit ist eine seltene nicht-bösartige Erkrankung. Sie wird durch ein bestimmtes Lymphknotenmuster in Verbindung mit klinischen und biologischen Merkmalen definiert.

Es gibt mehrere unterschiedliche Formen, sowohl in der Darstellung als auch in der Betreuung. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, lesen Sie unseren Artikel "Die Castleman-Krankheit: Alles, was Sie darüber wissen müssen". Einige Erkrankungen (Hämophilie, Autoimmunerkrankungen, Infektionen) können mit Läsionen einhergehen, die denen der Castleman-Krankheit ähneln.

Welche Erkrankungen gelten als Differentialdiagnose der Castleman-Krankheit?

Castleman-Krankheit und Differentialdiagnosen

Zuerst einmal: Was ist eine Differentialdiagnose?

Es handelt sich um eine Methode, um eine Krankheit von anderen Erkrankungen unterscheiden zu können, die ähnliche oder gleiche Symptome oder Merkmale aufweisen. Ziel dieses Prozesses ist es, eine zuverlässigere Diagnose durch einen methodischen Ansatz zu stellen, der sowohl Elemente berücksichtigt, die eine Krankheit ausschließen können, als auch die, die es erlauben, die Diagnose zu bestätigen.

Wie wird die Castleman-Krankheit diagnostiziert?

Die Diagnose stützt sich im Wesentlichen auf eine anatomisch-pathologische Untersuchung, die anhand einer Biopsie, meist eines Lymphknotens, durchgeführt wird. Diese Untersuchung besteht aus au seiner makroskopischen wie auch mikroskopischen Analyse des Gewebes, bei der die Art der Zellen, ihr krebsartiger oder nicht krebsartiger Charakter sowie ihre Aggressivitätsstufe untersucht wird.

Bei der Castleman-Krankheit (CD), verbinden sich die Läsionen, je nach anatomisch-pathologischer Form, in unterschiedlichem Ausmaß:

  • Follikuläre Hyperplasie: Besteht aus einem abnormal großen Volumen von Follikeln (Ansammlung von Lymphozten oder weißen Blutkörperchen) in den Lymphknoten.
  • Regression der Keimzentren: Diese sind die Lymphknotenbereiche, in denen sich aktivierte B-Lymphozyten (weiße Blutkörperchen, die für die Antikörperproduktion verantwortlich sind) vermehren.
  • Verbreitung oder Desorganisation des follikularen dendritischen Zellnetzwerks: Dendritische Zellen sind an der Auslösung von Immunantworten verantwortlich. Als Wächter des Organismus dienen sie dazu, Krankheitserreger wie Bakterien oder Viren zu erkennen und T-Zellen zu aktivieren (die die infizierten Zellen zerstören).
  • Hyalinisierte Kapillaren: Hyalinisierung ist die Zerstörung von Kollagen in den Kapillaren (die kleinen Blutgefäße), wodurch sie ein transparentes, glasartiges Aussehen erhalten.
  • Ausdehnung des Mantelbereichs: Im Lymphknoten ist der Mantel der Bereich, der das Keimzentrum umgibt.
  • Interfollikulare vaskuläre Hyperplasie: Abnorm großes Volumen an Gefäßen im Raum, der die Follikel umgibt.
  • Interfollikulare Plasmazellhyperplasie: Abnorm großes Volumen an Plasmazellen (Zellen, die von Lymphozyten abstammen und aktiv Antikörper absondern) in dem Raum, der die Follikel umgibt.
  • Perivaskuläre oder periphere Fibrose: Eine abnormale Veränderung des Gewebes in unserem Organismus.

Im Nationalen Diagnose- und Pflegeprotokoll zur Castleman-Krankheit (CD) der französischen Haute Autorité de Santé (HAS) (2019) finden sich bildhafte Beschreibungen einiger dieser anatomisch-pathologischen Aspekte. Es wird jedoch angemerkt, dass diese nicht spezifisch für die Läsionen bei Castleman sind.

  • Die „Zwiebelschale“ oder „Onion-skin“ bezieht sich auf eine Hyperplasie der Follikelmantelzone

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  • „Lutscher“ oder „Lollipop“ bezieht sich auf Keimzentren, die von hyperplastischen Gefäßen durchzogen sind

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  • Der Aspekt der „Handschellen“ oder „Budding“, „Twinning“, „Handcuff“ bezieht sich auf Follikel, die zwei Keimzentren enthalten können

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Eine Arbeitsgruppe hat Anfang 2017 die diagnostischen Kriterien neu definiert, indem sie eine neue histologische Klassifikation für die nicht-HHV-8-assoziierte Castleman-Krankheit vorgeschlagen hat (David C. Fajgenbaum et al. Blood 2017;129:1646-1657). Zudem definierten sie vier verschiedene Typen: die hyalin-vaskuläre oder hyper-vaskuläre Form (HV), die plasmozytäre Form (PC) sowie Misch- oder Zwischenformen zwischen HV und PC. Neben diesen drei Formen gibt es noch die Form, die mit HHV-8 assoziiert ist. Wenn Sie mehr über alle histologischen Formen von CD wissen möchten, finden Sie weitere Informationen hier.

Welche Erkrankungen sollten bei der Differentialdiagnose der Castleman-Krankheit berücksichtigt werden?

Hiinsichtlich der verschiedenen Formen der Castleman-Krankheit (CD) sind die wichtigsten Erkrankungen, die Differentialdiagnosen darstellen können, folgende:

Bösartige oder tumoröse Erkrankungen wie z.B.:

  • Hodgkin-Lymphom (NHL): NHL, auch Morbus Hodgkin genannt, steht in Verbindung mit der unkontrollierten Vermehrung von abnormen B-Lymphozyten, den sogenannten Reed-Sternberg-Zellen. Es handelt sich hierbei um die wichtigste Diagnose, die bei den ersten Untersuchungen ausgeschlossen werden muss, vor allem bei jungen Erwachsenen. Die Adenopathie (Vergrößerung der Lymphknoten) bei Castleman und NHL können bei ein und demselben Patienten koexistieren, weshalb tiefergehende Tests notwendig sind.
  • Non-Hodgkin-Lymphom: Der Unterschied zwischen Non-Hodkin-Lymphom und NHL ist die Präsenz der Reed-Sternberg-Zellen, die nur bei NHL erkennbar sind. Es handelt sich um eine zweite Diagnosemöglichkeit, die aus denselben Gründen wie beim ersten Punkt ausgeschlossen werden muss, insbesondere im Zusammenhang mit einer HHV-8-assozierter CD.
  • Nodales Plasmozytom: Eine seltene Erkrankung, die durch Immunhistochemie (IHC) (eine Methode zum Nachweis spezifischer Marker im Gewebe) aufgedeckt wird, die zeigt, dass die interfollikularen Plasmazellen (von Lymphozyten abgeleitete Zellen, die aktiv Antikörper absondern) der Castleman-Läsionen monotypisch oder anders gesagt uniform sind.
  • POEMS-Syndrom (Akronym für „Polyneuropathie“, „Organomegalie“, „Endokrinopathie“, „Plasmazellhämopathie“ und „Hautanomalien“): In seiner klassischen Form kann das POEMS-Syndrom eine Differentialdiagnose darstellen. Einige CD-Formen können in der Tat durch POEMS ähnliche Symptome verkompliziert werden (Neuropathie, Hautläsionen, …)
  • Follikulares dendritisches Zellsarkom: Sarkome sind eine Gruppe von vielen Krebstumoren, die sich aus Zellen des Stützgewebes des Körpers entwickeln. Es kann sich um Tumore der Weichteile (Fettgewebe, Muskeln, Gefäße, etc.) oder der harten Körperteile (Knochen und Knorpel) handeln.

Entzündliche Erkrankungen oder Autoimmunerkrankungen wie z.B.:

  • Systemischer Lupus erythematodes (SLE): Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung (Vorhandensein von aggressiven Antikörpern gegen den Körper), die mit Hautmanifestationen beginnt (Lupus erythematodes) und sich auf viele Organe ausweitet (systemischer Lupus erythematodes). Dies ist eine seltene Krankheit, die Haut, Nieren, Gelenke, Lunge sowie das Nervensystem beeinträchtigen kann. Lymphknoten-Adenopathien bei SLE können auf CD hinweisen. Eine CD-Diagnose wird hingegen nicht gestellt, wenn Lupus nachgewiesen wurde.
  • Sjögren-Syndrom: Eine seltene Autoimmunerkrankung, die etwas weniger als 1 von 10.000 Erwachsenen betrifft und durch eine Lymphozyteninfiltration der Speichel- und Tränendrüsen gekennzeichnet ist. Es ist für Mund- und Augentrockenheit sowie für die Produktion verschiedener Autoantikörper verantwortlich. Bei der Differentialdiagnose von CD ist die Situation ähnlich wie bei Lupus.
  • Morbus Still: Auch als Wissler-Fanconi-Syndrom bekannt, ist eine seltene Erkrankung, die einen entzündlichen Rheumatismus verursacht, der vor allem durch Fieberschübe mit Hautausschlägen, mit oder ohne Gelenkschmerzen, gekennzeichnet ist. In diesem Fall kann die Differentialdiagnose durch das Fehlen eines spezifischen Markers für Morbus Still erschwert werden.
  • Juvenile chronische Arthritis: Entzündung der Gelenke, die vor dem 16. Lebensjahr auftritt. Hier ist die Differentialdiagnose im Zusammenhang mit CD ähnlich wie bei Morbus Still.
  • Rheumatoide Arthritis (RA): Die häufigste der verschiedenen Formen von chronisch-entzündlichen Rheumatismen. Bei einer aktiven RA können die Lymphknoten in Bezug auf Arthritis ein Castleman-Aussehen aufweisen.
  • IgG4-assoziierte Krankheiten (Immunglobulin G4): Hier stellt sich die Frage einer Differentialdiagnose, da bei CD manchmal eine signifikante Anzahl von Plasmazellen (oder Antikörpern) gefunden wird, die Immunglobulin des Typs IgG4 absondern.

Infektionskrankheiten wie z.B. Primärinfektionen:

  • EBV (Epstein-Barr-Virus): Virus, das für die infektiöse Mononukleose (IM) verantwortlich ist. Adenopathien, die mit diesem IM assoziiert sind, können Ähnlichkeiten mit CD aufweisen.
  • CMV (Cytomegalovirus): Ein oft harmloses Virus, außer bei immungeschwächten Personen sowie schwangeren Frauen. Ähnliche Situation wie bei IM mit Adenopathien, die CD ähneln.
  • HIV (Humanes Immundefizienz-Virus): Virus, das für das erworbene Immundefizienz-Syndrom (AIDS) verantwortlich ist. Ähnliche Situation wie bei IM mit Adenopathien, die CD ähneln.
  • Toxoplasmosa gondii (verantwortlich für Toxoplasmose): Ähnliche Situation wie bei IM mit Adenopathien, die CD ähneln.

Primäre Immundefekte, die in der Regel schon bei der Geburt vorhanden und meist vererbte genetische Störungen sind: 

  • Variabler allgemeiner Immundefekt (VCID): Störung, die durch niedrige Immunglobulin-Werte (Antikörper) und eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen gekennzeichnet ist. Die Adenopathien bei VCID, bei einigen Typen, können auf CD hindeuten. Eine Hypogammaglobulinämie (niedriger Immunglobulinspiegel im Blut) kann die Diagnose neu orientieren.
  • Autoimmunes Lymphoproliferatives Syndrom (ALPS): Eine seltene Erbkrankheit, die durch eine nicht-maligne Lymphoproliferation (abnorme Vermehrung der weißen Blutkörperchen) und ein lebenslang erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Hodgkin- oder Non-Hodgkin-Lymphoms gekennzeichnet ist. Auch hier können die Adenopathien auf CD-Läsionen hindeuten, Im Zweifelsfall kann eine Genanalyse die Diagnose bestätigen.
  • ADA2-Mangel (Adenosin-Deaminase 2): Eine Autoimmunerkrankung, die mit Mutationen auf dem ADA2-Gen verbunden ist. Der Kontext deutet auf eine systemische Vaskulitis (Entzündung der Gefäße) hin.

Die abschließende Diagnose der Castleman-Krankheit kann sich schwierig gestalten, insbesondere bei den Formen der idiopathischen multizentrischen Plasmazellerkrankung. Diese kann erst festgehalten werden, nachdem eine Reihe von Tumor-, Infektions- oder Entzündungserkrankungen überprüft und ausgeschlossen wurden.

Dia Diagnose der Castleman-Krankheit erfordert eine fachärztliche Begutachtung, am Besten in einem Referenzzentrum, andernfalls in der Hämatologie oder Inneren Medizin.

Wenn Sie mehr Informationen über die spezifische Diagnose der Castleman-Krankheit bei Kindern möchten, lesen Sie gerne unseren Artikel “Kinder und die Castleman-Krankheit”.

Tiefergehende Informationen:

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des CDCN (Castleman Disease Collaborative Network). Diese Seite ist nur auf Englisch verfügbar.

Sie können ebenfalls der Community der “Castleman-Krankheit” auf Carenity beitreten, um Ihre Erfahrungen zu teilen, Unterstützung zu finden, oder um Informationen mit anderen Patienten oder Angehörigen auszutauschen.

Wenn Sie sich dafür interessieren, Ihre Erfahrungen zu teilen, lassen Sie es uns wissen! Berichten Sie über Ihre Erfahrungen und Ihre Erlebnisse (Diagnose, Weg, …) bei der Castleman-Krankheit mit unseren Mitgliedern. Möchten Sie Thema eines Erfahrungsberichts werden? Kontaktieren Sie uns unter: contact@carenity.de

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Autor: Charlotte Avril, Pharmazeutin, Data Scientist

Charlotte ist promovierte Pharmazeutin und hat einen Master-Abschluss in Pharma- und Biotechnologiemanagement von der ESCP. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen E-Health, Health Tech, seltene Krankheiten und... >> Mehr erfahren

Wer hat beigetragen: Charlotte Avril, Pharmazeutin, Data Scientist

Charlotte ist promovierte Pharmazeutin und hat einen Master-Abschluss in Pharma- und Biotechnologiemanagement von der ESCP. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen E-Health, Health Tech, seltene Krankheiten und... >> Mehr erfahren

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