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Epilepsiechirurgie: Alles, was Sie wissen müssen!

Veröffentlicht am 12.02.2024 • Von Claudia Lima

Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung. In Deutschland leiden etwa 500 000 Menschen an Epilepsie. Man spricht von verschiedenen Formen der Epilepsie. Sie können oft erfolgreich mit einer medikamentösen Behandlung therapiert werden. Für manche Menschen, die auf diese Behandlungen nicht ansprechen, wird die Chirurgie jedoch zu einer vielversprechenden Option, um ihre Lebensqualität zu verbessern.

Was ist Epilepsie? Welche Arten von Epilepsiechirurgien gibt es? Wie werden die Patienten ausgewählt? Welche Risiken bestehen bei der Epilepsiechirurgie? Welche Ergebnisse werden erwartet?

Erfahren Sie die Antworten in unserem Artikel!

Epilepsiechirurgie: Alles, was Sie wissen müssen!

Was ist Epilepsie?  

Epilepsie ist eine chronische neurologische Störung des Gehirns, die in jedem Alter auftreten kann. Sie ist definiert durch die spontane Wiederholung von epileptischen Anfällen, die eine Überaktivität einer Gruppe von Neuronen im Gehirn widerspiegeln.

Ein epileptischer Anfall äußert sich in kurzen Episoden unwillkürlichen Zitterns, das einen Teil des Körpers (partielle Anfälle) oder den ganzen Körper (generalisierte Anfälle) betrifft. Manchmal kommt es auch zu Bewusstlosigkeit, Verlust der Kontrolle über die Blase, der Darmentleerung etc. 

Es gibt nicht die eine Epilepsie, sondern eine Vielzahl von Epilepsieformen, die durch mehrere Kriterien gekennzeichnet sind, wie z. B. ihre Ursache, ihre Lokalisation im Gehirn, das Alter, in dem die Krankheit beginnt, und ihren Verlauf, der mild oder schwer sein kann.

Mit den derzeitigen Epilepsiebehandlungen kann die Häufigkeit der Anfälle verringert werden. Wenn die Epilepsiebehandlungen jedoch nicht ausreichend wirksam sind oder der Epilepsiepatient pharmakoresistent gegen sie ist, wird die Operation zu einer praktikablen Option.

Ein chirurgischer Eingriff kann in Betracht gezogen werden, abhängig von:

  • Die Häufigkeit und Dauer der epileptischen Anfälle
  • Die Auswirkungen auf das Leben des Patienten
  • Die Existenz eines bestimmten epileptogenen Fokus (Gehirnbereich, in dem wiederkehrende partielle Anfälle auftreten)
  • Mindestens zwei Medikamente in therapeutischen Dosen können die epileptischen Anfälle nicht kontrollieren

Welche Kriterien gelten für die Auswahl von Epilepsiepatienten für eine Operation?

Die Epilepsiechirurgie ist nur für eine kleine Anzahl von Patienten geeignet und erfordert eine präoperative Untersuchung in einem spezialisierten Umfeld, gründliche Untersuchungen und auch Zeit zum Nachdenken. Die wichtigste Voraussetzung ist, dass der epileptogene Herd entfernt werden kann, ohne dass das Risiko einer Behinderung durch die Entfernung eines Hirnareals besteht.

Zur Durchführung dieser Bestandsaufnahme werden alle bildgebenden Verfahren zur Analyse der Gehirnfunktion sowie eine neuropsychologische Beurteilung und andere Untersuchungen wie eine augenärztliche Untersuchung, eine logopädische Untersuchung usw. eingesetzt. Sobald die Bestandsaufnahme abgeschlossen ist, trifft der Chirurg die Wahl der Operationstechnik.

Folgende bildgebende Verfahren kommen in Betracht:

  • MRT des Gehirns: um die Hirnschädigung sichtbar zu machen
  • EEG (Elektroenzephalogramm) mit synchronisiertem Video: um die Anfälle aufzuzeichnen  
  • PET-Scan (Positronen-Emissions-Tomographie): um die Gehirnaktivität zu untersuchen  
  • SEEG (Stereo-Elektroenzephalographie): Diese Untersuchung wird vorgeschrieben, wenn der PET-Scan nicht ausreicht, um eine vollständige präoperative Bilanz zu erstellen, und dient dazu, einen Bereich, der operiert werden soll, genau zu markieren

Welche Arten von Epilepsieoperationen gibt es?

Die Techniken der Epilepsiechirurgie sind vielfältig und werden an den jeweiligen Patienten angepasst. Es gibt zwei Arten von Operationen: resektive Operationen, bei denen die Anfälle vollständig beseitigt werden sollen, oder palliative Verfahren, bei denen die Häufigkeit und Schwere der Anfälle verringert werden sollen. Diese chirurgischen Eingriffe sind invasiv, minimalinvasiv oder nichtinvasiv.

Nachfolgend finden Sie die am häufigsten durchgeführten chirurgischen Eingriffe:

Verfahren der Ablation und Durchtrennung 

Invasive Eingriffe 

Je nach Lokalisation, zugrunde liegender Läsion und Ausdehnung der epileptogenen Zone sind verschiedene chirurgische Strategien möglich.

Selektive Amygdala–Hippokampektomie 

Die selektive Amygdala-Hippokampektomie ist ein chirurgischer Eingriff, der bei erwachsenen Patienten häufiger und wichtiger ist und bei dem die Tonsille, der Hippocampus und der Gyrus parahippocampalis selektiv entfernt werden. Dieses Verfahren zielt darauf ab, die Anfallsquelle zu beseitigen, indem es gezielt auf die Gehirnregionen abzielt, die mit temporaler Epilepsie in Verbindung gebracht werden.

Temporallappenresektion 

Bei diesem Verfahren wird ein Teil des Temporallappens entfernt, der Bereich des Gehirns, der häufig mit epileptischen Anfällen in Verbindung gebracht wird. Das Verfahren wird unter Narkose und mithilfe mikrochirurgischer Techniken durchgeführt.

Erweiterte Läsionektomie 

Die Resektion ist extra temporal, wenn die Entfernung der epileptogenen Zone außerhalb des Temporallappens erfolgt. Die Ursachen sind meist Funktionsstörungen des Gehirns, z. B.: fokale kortikale Dysplasien, gutartige Tumore oder epileptogene vaskuläre Missbildungen (Beispiel: Kavernome).

Funktionelle Hemisphärektomie oder Hemisphärotomie

Eine radikale Option, die schweren Fällen von Epilepsie bei Kindern vorbehalten ist und bei der ein Teil oder die gesamte Gehirnhälfte entfernt wird, um die Anfälle zu kontrollieren.

Kallosotomie 

Bei diesem Eingriff wird das Corpus callosum, die Struktur, die die beiden Gehirnhälften miteinander verbindet, teilweise oder vollständig durchtrennt, um die Ausbreitung und Schwere von Anfällen zu verhindern.

Multiple subpiale Transsektionen

Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, bei dem der Chirurg den Epilepsieherd isoliert, indem er die Nervenfasernetze unter der Hirnrinde zerstört, um die Ausbreitung der epileptischen Aktivitäten zu verhindern, indem er die Übertragungswege unter der schützenden Hirnhaut durchtrennt.

Invasive Verfahren zur Ablation und Durchtrennung

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Quelle: https://epikinder-eltern-gruppe.jimdofree.com/epilepsie/behandlungsm%C3%B6glichkeiten-1/epilepsie-chirurgie/

Weniger invasive Verfahren 

Thermokoagulation (minimalinvasiv) 

Bei dieser Technik, die auch als laserinduzierte interstitielle Thermotherapie bezeichnet wird, wird Hitze angewendet, um selektiv das Gewebe zu zerstören, das für die epileptischen Anfälle verantwortlich ist. Damit diese Technik gewählt wird, muss die epileptogene Zone klein und genau bestimmt sein.

Gamma Knife® Radiochirurgie sowie stereotaktische Bestrahlung oder Radiochirurgie (nicht-invasiv) 

Bei dieser Radiochirurgietechnik wird der epileptogene Bereich bestrahlt, indem präzise Strahlenbündel auf Gehirnzellen gesendet werden. Das Gamma Knife ermöglicht eine hohe Präzision bei der Abgabe der Strahlung, wodurch die Schädigung des umliegenden gesunden Gewebes begrenzt wird.

Verfahren zur Stimulation 

Wenn Resektions- und Durchtrennungsverfahren nicht indiziert oder nicht wirksam sind, können Stimulationsverfahren als palliative Verfahren in Betracht gezogen werden. Bei der Stimulation werden elektrische Impulse direkt oder indirekt über Elektroden in das Gehirn gesendet, um die epileptischen Hirnströme zu unterbrechen.

Invasive Verfahren 

Vagusnerv-Stimulation (VNS) 

Dies ist eine chirurgische Alternative, die die Wirkung der medikamentösen Behandlung verstärken kann. Ein batteriebetriebenes Gerät, das unter der Haut auf Höhe des Schlüsselbeins implantiert wird, sendet elektrische Impulse an den Vagusnerv und ermöglicht es, die elektrische Funktion der Neuronen zu verändern, die für den Ursprung oder die Ausbreitung der epileptischen Anfälle relevant sind. Die Stimulation des Vagusnervs wirkt sich auch positiv auf das Wachheitsgefühl und die Stimmung aus und kann Depressionen lindern.

Tiefe Hirnstimulation (THS) 

Unter Vollnarkose werden zwei dünne Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns eingeführt, die an der Entstehung von epileptischen Anfällen beteiligt sind. Die Elektroden sind mit einem Impulsgenerator verbunden, der eine elektrische Stimulation abgibt. Dieser Generator wird auf Höhe des Bauches oder der Brust platziert und ist über Konnektoren und subkutane Verlängerungen mit den Elektroden verbunden.

Nicht-invasive Verfahren 

Transkranielle Magnetstimulation (TMS)

Sie nutzt Magnetfelder, die an den Bereichen des Schädels angelegt werden, in denen die Anfälle auftreten, um die Gehirnaktivität zu modulieren, die manchmal im Zusammenhang mit Epilepsie erforscht wird.

Trigeminus-Nerv-Stimulation (TENS) 

Diese Technik beinhaltet die externe elektrische Stimulation des Trigeminusnervs im Gesicht, um die elektrische Aktivität im Gehirn zu beeinflussen und Anfälle zu reduzieren.

Fazit

Die Wahl der Form der Epilepsiechirurgie hängt von verschiedenen Faktoren ab, u. a. von der Art der Epilepsie, der Lokalisation der Anfälle, dem Ansprechen auf medikamentöse Behandlungen und den Vorlieben des Patienten. Gründliche Beurteilungen und die Beratung durch ein multidisziplinäres Team an medizinischem Fachpersonal sind entscheidend, um den besten chirurgischen Ansatz für jeden spezifischen Fall zu bestimmen.

Bei Patienten, die nicht auf eine medikamentöse Behandlung ansprechen, kann nicht immer eine Operation durchgeführt werden
. Und auch wenn dies möglich ist, führt dieser Ansatz nicht immer zu 100 % positiven Ergebnissen. Daher ist es wichtig, dass die Epilepsieforschung fortgeführt wird, um neue Therapien zu entwickeln. Einige Forschungsarbeiten zeigen bereits vielversprechende Ergebnisse.


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Autor: Claudia Lima, Gesundheitsredakteurin

Claudia ist Content Creator bei Carenity und hat sich auf das Schreiben von Gesundheitsartikeln spezialisiert.

Claudia hat einen Master in Entrepreneurship und einen Executive MBA in Business Management und... >> Mehr erfahren

Wer hat es korrigiert: Balkis Ounaies, Gesundheitsredakteurin

Balkis hat einen Doktortitel in Pharmazie und einen spezialisierten Master in Gesundheitsökonomie von der Universität Paris Cité.

Aktuell ist Balkis Data Scientist bei Carenity und sorgt für die... >> Mehr erfahren

1 Kommentar


Manuela56 • Botschafter-Mitglied
am 12.02.24

Hallo und guten Tag. Das ist schon ein sehr interessanter Artikel. Ich habe ja in einer Werkstatt für behinderte Menschen gearbeitet. Da waren auch Personen mit Epilepsie dabei. Es gab welche, da fiel die betroffene Person einfach um, stand wieder auf und arbeitete weiter. Aber auch Personen, bei denen man den Notarzt rufen musste, damit sie Diazepam gespritzt bekamen. Andere bekamen nach Ende des Anfalls 10 Tropfen Diazepam, wurden in den Ruheraum gelegt, und schliefen da 1 Stunde. Es war aber immer eine Betreuung dabei. Man hat ja auch mit den Eltern, Betreuern oder andere Angehörige gesprochen, wegen einer Operation. Das haben natürlich nicht die Mitarbeiter der Werkstatt gemacht, sondern der Betreffende Neurologe. Aber keiner wollte diese Operation durchführen lassen.

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