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Endlich ein Bluttest auf Alzheimer?

Veröffentlicht am 09.02.2018 • Von Giovanni Mària

Endlich ein Bluttest auf Alzheimer?

Endlich ein Bluttest auf Alzheimer?

Vielleicht ist das der Durchbruch: Japanische Forscher haben einen Serumtest auf Alzheimer validiert, der mit einer Genauigkeit von 90 Prozent eine erhöhte Amyloidbelastung im Gehirn feststellen kann. Es wäre der erste Bluttest, der sich für die klinische Anwendung eignet.

Es ist schon ungewöhnlich, wenn das wohl renommierteste wissenschaftliche Fachblatt über die Validierung eines Bluttests für Alzheimer berichtet. Doch ein Team um die Professoren Colin Masters aus Melbourne und Katsuhiko Yanagisawa aus Obu hat nicht bloß eine nette Idee veröffentlicht, wie man Alzheimer im Blut nachweisen könnte – was fast täglich irgendein Forscher auf dem Planeten tut –, die Forscher haben dieses Mal richtig Butter bei die Fische gegeben: Sie konnten nachweisen, dass sich ihr Test tatsächlich für die klinische Anwendung eignet. Genau an einem solchen Nachweis sind die vielen netten Ideen bislang stets gescheitert. Daher war der Bluttest der Zeitschrift "Nature" durchaus einen längeren Beitrag wert (doi:10.1038/nature25456).

Amyloidfragmente per Massenspektroskopie bestimmt


Bislang ist die PET-Bildgebung das Maß aller Dinge, um eine Alzheimerpathologie mit Biomarkern in vivo nachzuweisen. Leuchtet im Gehirn eine bestimmte Menge an Amyloid in der PET auf, gehen die Forscher von einer fortgeschrittenen Alzheimerpathologie aus. Zusammen mit klinischen Symptomen lässt sich damit ein Morbus Alzheimer klar diagnostizieren. Die Amyloid-PET ist jedoch teuer und aufwendig und damit für den klinischen Alltag ungeeignet. Eine Liquoranalyse liefert ebenfalls brauchbare Befunde, doch nichts ist letztlich so einfach und so wenig invasiv wie ein Bluttest. Nur mit einem solchen würde ein Alzheimerscreening Sinn machen, nur ein Bluttest taugt als Standardverfahren zur Diagnostik.

Das australisch-japanischen Forscherteam hat für seinen Test Antikörper gegen bestimmte Beta-Amyloid-Fragmente eingesetzt und die entstehenden Komplexe quantitativ gemessen. Das Verfahren, die sogenannte Immunpräzipitations-Massenspektroskopie (IP-MS), war zuvor in kleineren Studien evaluiert worden. Gewöhnliche labordiagnostische Tests auf Beta-Amyloid-Fragmente hatten sich für die Serumanalyse stets als unbrauchbar erwiesen – zu gering war die Korrelation mit den PET-Werten. Das massenspektroskopische Verfahren scheint jedoch wesentlich genauer zu sein, vor allem dann, wenn Werte für mehrere Amyloidfragmente kombiniert werden.

Die Forscher um Yanagisawa und Masters konzentrierten sich auf ein Bruchstück des Amyloidvorläuferproteins mit der Bezeichnung APP669-711 sowie auf die beiden Beta-Amyloid-Fragmente Aß1-40 und Aß1-42. Letztere werden auch in der Liquordiagnostik analysiert, und wie dort sind beim Serumnachweis vor allem die Verhältnisse der jeweiligen Konzentrationen aussagekräftig. Bei Alzheimer verklumpt im Gehirn primär Aß1-42. Als Folge sinken die Werte im Liquor und Blut, der Quotient von Aß1-40 zu Aß1-42 steigt, ebenso der Quotient von APP669-711 zu Aß1-42. Erhöhte Werte dieser beiden Quotienten sollten also eine Amyloidpathologie nachweisen.

Sensitivität von 97 Prozent


Die Forscher haben den Test zunächst an Teilnehmern einer japanischen Alzheimerstudie geprüft und optimiert und ihn anschließend bei einer Kohorte älterer Australier extern validiert. An allen Studien beteiligen sich kognitiv gesunde Ältere, solche mit ersten kognitiven Defiziten (MCI) und solche mit einer bestätigten Alzheimerdemenz. Alle Teilnehmer werden regelmäßig per Amyloid-PET untersucht, damit soll der gesamte Verlauf der Demenz von der präklinischen Phase an erfasst werden.

Analysierten die Forscher per IP-MS das Serum der Teilnehmer, konnten sie hochsignifikante Unterschiede zwischen Patienten mit hoher und niedriger Amyloidlast im Gehirn feststellen, und zwar sowohl für Aß1-42 alleine als auch für die beiden Quotienten. Am deutlichsten waren die Unterschiede jedoch, wenn sie Werte der beiden Quotienten kombinierten. In der australischen Validierungskohorte wurden dabei erhöhte Amyloidwerte im Gehirn mit einer diagnostischen Genauigkeit von 90 Prozent gemessen. Wurden nur Patienten mit MCI und Alzheimer berücksichtigt, betrug die diagnostische Genauigkeit sogar 92 Prozent.

Bei kognitiv normalen Teilnehmern konnten sie mit einer Genauigkeit von 87 Prozent solche mit erhöhter Amyloidlast im Gehirn von solchen ohne unterscheiden.

Vergleichbar mit Liquroproben


Ein Teil der Studienteilnehmer lieferte auch Liquorproben. Die Wissenschaftler ermittelten eine ähnliche Korrelation ihres Bluttests mit den PET-Daten wie bei den Liquor-Biomarkern. Sollte sich ihr Test in weiteren Untersuchungen bewähren, könnten viele PET-Untersuchungen für Studien oder bei Patienten mit unklarer Diagnose überflüssig werden, ebenso Liquoruntersuchungen. Interessant ist auch, dass sich offenbar mit sehr hoher Genauigkeit eine Alzheimerpathologie bei noch kognitiv Gesunden nachweisen oder ausschließen lässt. So zeigten in der japanischen Kohorte 9 von 31 Patienten mit einer klinischen Alzheimerdiagnose keine erhöhten Amyloidwerte im PET. Diese hatten per Definition keine Alzheimererkrankung. Acht der neun Patienten waren auch im Bluttest unauffällig.

Die Forscher prüften ihren Test bei 31 weiteren Patienten mit klinischer Alzheimerdiagnose und 20 kognitiv gesunden Älteren. Dabei kamen sie mit der PIB-PET (PET, die sich auf den radioaktiven Marker Pittsburgh compound-B fokussiert) als Standard auf eine Sensitivität von 97 Prozent, eine Spezifität von 81 sowie eine diagnostische Genauigkeit von 90 Prozent. Sie schließen daraus, dass ihre Ergebnisse robust und reproduzierbar sind.

aerztezeitung.de

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Autor: Giovanni Mària, International Traffic Manager

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