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Ich fühle ganz anders

Veröffentlicht am 27.03.2018 • Von Léa Blaszczynski

In diesem Interview könnt ihr Klaus kennenlernen, der seit 2005 herztransplantiert ist.

Ich fühle ganz anders

Hallo Klaus! Könnten Sie sich bitte kurz vorstellen?

Ich bin Klaus, wohne bei Nürnberg, bin 62 Jahre alt und seit 12 Jahren erwerbsunfähig. Vorher war ich Galvaniseur, heute nennt man diesen Beruf Industriechemiker.

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Seit wann sind Sie herztransplantiert und wie kam es dazu? Warum war diese Transplantation nötig? Wie lange mussten Sie auf ein Spenderorgan warten?

Ich bin seit 12 Jahren herztransplantiert. 2001 hatte ich in Nürnberg im alten Herz einen Stent bekommen. Schmerzen in der Brust hatte ich zu dem Zeitpunkt bereits seit 30 Jahren. 2004 wurde dann bei mir während einer Kur ein sehr hoher Blutdruck festgestellt. Daraufhin war ich beim Internisten, der meinte, ich bräuchte einen Herzkatheter. Diesen bekam ich dann im Februar 2005. Während einer Hauptstammdissektion kam es allerdings zu einem Unfall. Eigentlich war ich da schon tot. Ich hatte nur 0,2 % Überlebenschance und musste eine Stunde lang reanimiert werden. Nach drei Wochen im Klinikum Augsburg wurde ich dann im Koma nach Regensburg verlegt, wo es innerhalb von sechs Tagen zu einer Herzverpflanzung kam. Das war schon sehr erstaunlich…

Wie geht es Ihnen seit der Transplantation? Was hat sich in Ihrem Leben mit der Transplantation verändert?

2005 habe ich mein neues Herz bekommen. Bereits im Herbst 2004 hatte ich mich von meiner Frau getrennt, ich war also ganz allein, das war sehr schwer. Am Anfang habe ich das noch gut verkraftet. Ich war körperlich ziemlich kaputt, konnte aber noch einiges unternehmen.

Seit dem Einnehmen der Immunsuppressiva habe ich Durchfall. Der wurde in letzter Zeit immer schlimmer. Ich probiere aber immer wieder, trotzdem rauszugehen.

Seit dem neuen Herz fühle ich außerdem nicht mehr richtig. Ich lerne zwar Frauen kennen, aber die Gefühle sind nicht mehr dieselben.

Vor der OP hatte ich ein Haus. Seitdem lebe ich von wenig Rente. Eine ganz schöne Umstellung!

Wie war das für Sie so plötzlich zu erfahren, dass Sie ein neues Herz haben?

In Regensburg habe ich gar nicht verstanden, was da so passiert war. Ich sollte ja nur einen Herzkatheter bekommen und kein Herz! Ich habe gar nicht kapiert, was da abläuft. Bei einer geplanten Herztransplantation wird man vorbereitet. Bei mir gab es weder eine Vor-,  noch eine Nachbereitung.

Von Regensburg aus bin ich direkt auf Kur nach Bad Wörishofen. Eigentlich sollte ich nach Prien am Chiemsee, da war jedoch kein Platz frei. Prien wäre eigens für Herztransplantierte gewesen. Ich war 6 Wochen in Bad Wörishofen. Damals wohnte ich in Augsburg. Im Klinikum wurde kontrolliert, ob das Herz abgestoßen wird usw. Mit einer Abstoßung hatte ich aber nie ein Problem.

Wurden Sie in der Zeit von Verwandten oder Bekannten unterstützt?

In Augsburg war ich allein, mir hat keiner geholfen, ich hatte nur das Gefühl, mir ist alles egal. Welcher Arzt für den Unfall verantwortlich war, weiß ich nicht. Einen Anwalt konnte ich mir nicht leisten. Ich war damals 49. Ich habe in Augsburg von 620 € EU-Rente gelebt, brauchte aber auch Mietzuschuss usw. Da gab es immer wieder Schwierigkeiten im Bürgerbüro. Beim Ausfüllen von Anträgen etc. wurde mir nicht geholfen. Alleine war ich dazu aber nicht wirklich in der Lage.

Sie haben vorher erwähnt, dass Sie seit der Herztransplantation ganz anders fühlen…

Die Herz-OP hat mich total verändert. Mir war plötzlich alles egal. Ich habe so vor mich hingelebt, nicht mehr viel gemacht, übers Internet immer mal wieder Frauen kennengelernt, aber ich hatte keine Gefühle mehr. Dann ging’s mir körperlich immer schlechter. Jetzt sitze ich fast nur noch vor dem Fernseher.

Von der Herztransplantation habe ich nur die Hälfte mitbekommen…

Was belastet Sie am meisten?

Dass ich nur noch daheim bin, ich schaue fern, gehe zu Ärzten, zum Einkaufen, aufs Klo. Das war's.

Durch Immunsuppressiva erhöht sich auch das Hautkrebsrisiko. Ist Hautkrebs für Sie auch ein "Thema"?

Nach einer OP von Kondylomen hatte ich ständig das Gefühl, aufs Klo zu müssen. Wo die Kondylome übersehen wurden, bekam ich dann Hautkrebs, der war am After und wurde per OP entfernt.

Ansonsten habe ich seit den Immunsuppressiva keinen Hautkrebs bekommen. Die Kondylome waren eine Folge der Immusuppressiva.

Wie schützen Sie sich vor der Sonne?

Eigentlich gar nicht. Ich gehe ja so gut wie nicht aus dem Haus.

Was würden Sie Menschen raten, bei denen eine Transplantation ansteht?

Ich würde ihnen empfehlen, die Transplantation auf jeden Fall machen zu lassen. Allerdings sollen Sie sich danach "halten": keinen Alkohol trinken und möglichst auf Tabak verzichten. Rauchen ist da wirklich nicht ideal. Ich würde jedem raten, zu einem Psychologen zu gehen - vorher und hinterher.

Vielen Dank für das Interview und für die Zukunft alles Gute!

 

 

 

avatar Léa Blaszczynski

Autor: Léa Blaszczynski, Gesundheitsredakteurin, Kommunikationsexpertin

Da sie seit 2013 bei Carenity ist, birgt das Schreiben von Gesundheitsartikeln für Léa keine Geheimnisse mehr. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen Psychologie, Ernährung und körperlicher Aktivität.

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1 Kommentar


Karin66
am 15.06.18

Hallo Klaus,

das ist ja wirklich eine Wahnsinnsgeschichte - nahezu wirklich unglaublich, dass Sie überhaupt nach diesem "Unfall" beim Herzkatheter mit dem Leben davongekommen sind und sofort ein neues Herz für Sie zur Verfügung stand! Kein Wunder, dass sich Ihr Leben danach völlig auf den Kopf gestellt hat: Sie waren ja überhaupt nicht vorbereitet auf diesen großen Eingriff. Weder mental noch körperlich. Selbst Patienten, die vorher sehnsüchtig auf ein Spenderorgan warten, müssen nach erfolgreicher Transplantation erst mal damit umgehen lernen, dass es eben nicht mehr "ihr" Organ ist, dass da im Körper arbeitet. Und gerade beim Herzen ist das schon ganz was Besonderes, denn es ist schließlich der "Motor", der den Menschen und seinen Körper antreibt.

Aus dem Interview geht jetzt leider nicht hervor, ob Sie selbst noch in psychologischer Behandlung sind, auch wenn Sie das anderen Patienten empfehlen. Ich hoffe es aber sehr, denn wenn man schon ganz allein mit solch einem großen Eingriff und einer solchen Veränderung fertig werden muss, ist professionelle Hilfe doppelt wichtig.

Sie sollten trotzdem versuchen, so oft es geht, aus dem Haus zu gehen - sei es nur auf einen kleinen Spaziergang oder auch auf einen Kaffee in einer Bäckerei. Haben Sie mal daran gedacht, sich eventuell an eine Selbsthilfegruppe zu wenden? Dann hätten Sie Gleichgesinnte, mit denen Sie Ihre Probleme teilen könnten und wären damit nicht mehr so allein. Wie wäre es mit einem Hobby, vielleicht etwas Kreatives wie Malerei oder Fotografie? Alles ist wirklich besser, als immer nur zu Hause zu sitzen, auch wenn es anfangs sicherlich Überwindung kostet. Sonst vereinsamen Sie auch zu sehr. Gehen Sie auf Menschen zu, suchen Sie sich (neue) Freunde, vielleicht ja eben auch durch ein gemeinsames Hobby.

Ich finde es aber angesichts Ihrer heftigen Geschichte um so bewundernswerter, dass Sie sich uns hier so geöffnet haben, denn allein das hat sicher schon große Überwindung gekostet!

Ich wünsche Ihnen auf Ihrem weiteren Lebensweg alles Gute!

Liebe Grüße

Karin

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