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Jeder sollte sich mit seiner Krankheit auseinandersetzen und ein Netzwerk aufbauen

Veröffentlicht am 30.07.2018 • Von Louise Bollecker

@Karin66‍ , aktives Carenity-Mitglied seit August 2015, hat sich diesmal bereit erklärt, ihre Geschichte mit anderen Mitgliedern zu teilen. Ihre Erlebnisse zeigen, wie man auch aus schweren Zeiten wieder herauskommt. Ganz wichtig sind ein Netzwerk und der Austausch mit anderen. Wenn ihr ähnliche Schicksale erlebt oder euch zu den Erfahrungen von Karin äußern wollt, dann hinterlasst einen Kommentar oder schreibt direkt an @Karin66‍.

Jeder sollte sich mit seiner Krankheit auseinandersetzen und ein Netzwerk aufbauen

Hallo Karin, können Sie sich kurz vorstellen (Alter, Beruf, Gegend aus der Sie kommen,...)?

Mein Name ist Karin, ich bin 51 Jahre alt, Single, kaufmännische Sachbearbeiterin bei einer Supermarktkette und wohne in Wesseling.

schicksalschlage-chronische-erkrankung

Mit welchen Beschwerden haben Sie kämpfen?

Meine Krankheitsgeschichte ist schon recht umfangreich, denn ich bin nicht nur seit 2013 chronisch krank nach meiner zweiten doppelseitigen Lungenembolie (seitdem muss ich regelmäßig Phenprogramma = Marcumar einnehmen und meinen Blutgerinnungswert messen), sondern angefangen hat das Ganze eigentlich schon viel früher…

Können Sie uns davon erzählen?

Eigentlich hat es mit dem Umzug hierher ins Rheinland angefangen, da bin ich 2005 meinem Job hinterhergezogen, als eine große Supermarktkette meine alte Firma ganz aufgekauft hat und somit die Zentralverwaltung im Sauerland dicht gemacht wurde. Dieser ganze Umzug hat mich damals schon sehr viel Kraft gekostet - mehr, als ich hatte und somit hatte ich meinen ersten Nervenzusammenbruch und ich bin in der psychiatrischen Klinik gelandet. Seitdem nehme ich Psychopharmaka (Quetiapin), mit denen es mir allerdings ganz gut geht, mittlerweile habe ich meine Dosis hier gefunden. Im Anschluss an den Klinikaufenthalt damals (Psychose) habe ich eine Psychotherapie gemacht, die mir auch gut geholfen hat, meine Probleme zu verarbeiten.

Die nächste Krise kam dann, als mein Vater 2008 gestorben ist - ich war damals fast jeden Tag bei ihm im Krankenhaus auf der Intensivstation, er musste künstlich beatmet werden, weil er COPD hatte (leider selbst verursacht durch seine jahrzehntelange Kettenraucherei). Gestorben ist er letztendlich dann doch in meiner Abwesenheit, denn mein Freund ist zu diesem Zeitpunkt mit mir nach Ägypten gefahren, weil ich sonst sowieso über kurz oder lang wohl zusammengeklappt wäre. Mein Zusammenbruch kam dann auch erst später, aber dafür umso heftiger, denn dieses Mal bin ich nicht freiwillig in der Nervenklinik gewesen und leider auch auf der geschlossenen Abteilung gelandet, weil ich völlig ausgeflippt bin. Eine Erfahrung, die ich niemandem wünsche. Insgesamt vier Wochen war ich dort und habe mich zumindest vor allem am Anfang durch die ganzen Medikamente wie ein Zombie gefühlt. Auch hier hat mir dann später mein Job, aber auch meine Mutter und meine Freunde geholfen, damit fertig zu werden.

Danach ging es mir eigentlich relativ gut, auch wenn ich immer wieder mit Gewichtsschwankungen zu kämpfen hatte und mich zeitweise sehr zu Hause vor meinem Computer vergraben habe. 2011 bin ich mit meiner Mutter dann nach Rhodos für eine Woche in den Urlaub gefahren. Wochen danach hatte ich dann auf einmal unglaubliche Schmerzen auf der rechten Seite oberhalb der Hüfte. Dann ging es aber erst richtig los - mir wurde es schon nach wenigen Schritten schwindelig und ich hatte totale Atemnot. Am Ende habe ich dann doch auf Anraten meiner Mutter und meines Freundes den Notarzt gerufen, bin im Krankenhaus gelandet und dort dann letztendlich auf der Intensivstation, da ich da meine erste doppelseitige Lungenembolie hatte. Es wurde auf eine Thrombose geschoben, die ich mir wohl nach dem Flug von Rhodos geholt habe - das waren wohl diese Schmerzen, die ich vorher hatte. Ein Jahr lang habe ich da dann nach der sogenannten Lyse (die mir das Leben gerettet hat, dank an meine Ärzte!)  Marcumar genommen, danach war aber mit meinem Herzen und auch sonst eigentlich alles wieder okay, so dass ich froh war, das Mittel wieder absetzen zu können.

Tja, 2013 im Mai hatte ich dann aber wieder diese Atembeschwerden und das Schwindelgefühl. Dieses Mal bin ich dann selbst ins Krankenhaus gefahren, gleich wieder da behalten worden - erneute Diagnose: doppelseitige Lungenembolie nach tiefer Venenthrombose! Dieses Mal brauchte es aber wenigstens keine Lyse zu sein, ich hing auch "nur" auf der Überwachungsstation am Monitor. Nach zig Untersuchungen wurde ich dann endgültig auf Marcumar eingestellt. Seitdem "darf" ich mich auch jeden Morgen in meine geliebten Kompressionsstrümpfe zwängen.

Wie schaffen Sie es, Ihren Alltag mit den Erkrankungen zu meistern?

Ganz wichtig ist die Zusprache meiner Mutter und auch meiner Freunde, wenn ich mal wieder in ein Loch zu fallen drohe - und auch meine Arbeit ist da sehr wichtig, einen geregelten Tagesablauf zu haben. Vor allem auch meine beste Freundin gibt mir viel Halt, wir reden dann auch schon mal stundenlang am Telefon, wenn wir beide Sorgen haben

Ich kann meinen INR-Wert selbst messen, nachdem ich eine Schulung dafür bekommen habe, sonst müsste ich deswegen auch noch jedes Mal zum Arzt rennen - da piekse ich mir doch lieber etwa einmal in der Woche in die Fingerbeere und messe.

Anfangs war das nur gar nicht so einfach, da habe ich dann schon etliche Anläufe und Teststreifen gebraucht und Überwindung hat es mich auch gekostet. Nervig ist allerdings, wenn ich mein Marcumar dann doch mal absetzen und Heparin ("Thrombosespritzen") spritzen muss.  Aber ich bin ja froh, dass ich die ganze Sache überlebt habe.

Wie schaffen Sie es trotz vieler Rückschläge nach Vorne zu schauen?

Mein Job hilft mir ebenfalls über vieles hinweg, etwa über die weitere Entfernung zu meiner Mutter, die immer noch im Sauerland lebt und natürlich auch zu meinen Freunden, die ich dort noch habe. Ich habe zum Glück auch einen guten Freund, der in Köln wohnt, und den ich schon aus Schulzeiten kenne. Das hat mir damals auch den Umzug erleichtert.

Welche Ratschläge würden Sie einer Person geben, die ähnliche Schicksalsschläge erleben muss?

Ich kann nur jedem empfehlen, sich mit seiner Krankheit auseinanderzusetzen, sich Hilfe zu suchen, vor allem Freunde und/oder Verwandte zum Reden - also sich ein Netzwerk aufzubauen, wenn eine Krise droht. Oft merken es ja auch die anderen  eher als man selbst und können Warnzeichen richtig deuten. Vor allem aber ist es auch wichtig, regelmäßig und rechtzeitig zum Arzt zu gehen, um etwa Verschlechterungen erkennen und behandeln zu können.

Liebe Karin, vielen Dank für die ehrlichen Worte. Wir hoffen, dass Sie mit Hilfe von Freunden, Ihrer Mutter und dem Job Ihr Leben mit den Krankheiten weiterhin so meistern. Wir wünschen Ihne alles Gute für die Zukunft.

avatar Louise Bollecker

Autor: Louise Bollecker, Community Manager Frankreich

Louise ist Community Managerin von Carenity in Frankreich und Chefredakteurin des Gesundheitsmagazins. Sie bietet allen Mitgliedern Artikel, Videos und Erfahrungsberichte. Ihr Ziel ist es, die Stimme der Patienten zu... >> Mehr erfahren

7 Kommentare


Anna59
am 24.08.18

Hallo Karin66 ich muß sagen das mir beim Lesen deiner Geschichte die Augen feucht wurden es ist wahrscheinlich weil mir alles wieder hochgekommen ist :( . Ich selbst bin zawr nicht betroffen aber meine Tochter .Es war die Hölle , 1 1/2 Jahre im Krankenhaus davon 3 Monate in der Gechlossenen es gab zeiten da hat sie mich nicht erkant . Ich weiss bis heute nicht wo ich soviel Kraft genommen habe ohne selbst krank zu werden. aber wo liebe ist da schafft man fast alles . Meine kleine war Tänzerin und auf einmal waren alle Freunde weg sogar Verwandte . Ich kam jeden tag nachhause schloss die Tür hinter mir und fing an meinen Schmerz rauszuschreien . Die Diagnose war shizophrenie aber wir haben es geschafft sie hat die Krankheit besiegt ist jetzt die Medikamente am ausschleichen und ist wieder mein altes Mädchen , dieses Glücksgefühl ist nicht zu beschreiben ich wünsche dir noch weiterhin ganz viel Liebe und Kraft in Deinem Leben  L.G. Anna59


Karin66
am 14.09.18

Hallo Anna,

vielen Dank für Deinen lieben Kommentar. Da bin ich aber echt froh, dass es Deiner Tochter nach dieser Odyssee wieder so gut geht und sie vor allem stabil ist. So ein Krankheitsbild verändert leider den ganzen Menschen und gerade auch für die Angehörigen ist es nicht leicht, damit umzugehen - das hat damals auch meine Mutter und meine Freunde erfahren müssen. Zum Glück geht es mir nun auch wieder besser und ich möchte solch eine Erfahrung auch nie wieder machen müssen. Dasselbe wünsche ich auch Deiner Tochter, genieße jeden "normalen" Tag mit ihr!

Liebe Grüße

Karin


Tilldinkel
am 16.10.18

Hallo karin. Ich finde es ermutigend wie du dein leben immer wieder im griff hast. Ich habe auch sehr viele baustellen. Angeborene spina bifida. Der arzt sagte mir erst mit 29 jahren diese diagnose. Bis dahin hieß es als kind zu bequem zum turnen, zu faul etc. 2005 hatte ich einen schlaganfall.nur der rechte unterschenkel und fuss bleib steif. Aber danach konnte ich wieder ganztags arbeiten gehn. Erst mit dem regenschirm dann mit stock.nachdem ich häufig geatürtzt bin bekam ich 2008 die zusage zur vorzeitigen rente. Ivh bin hahrgang 1951. Jatzt bin ich 67. 2011  hatte ich eine op an der hws, vorn und hinten. Dana wurde ich noch 2mal darin op. , wegen falscher schrauven und dann platzte die naht.2012 hatte ich blutarmut und eine offene gürtelros. Danach hatte ich immer schmerzen. Ich habe mich oft zurückgezogen vor allem ins bett. Dann kkam ich vier wochen in die Psychiatrie nach warstein. Du siehst ich wohne noch im sauerland. 2014 bin ich ģestürtzt. Vierfacher wadenbeinbruch linkes knie neu.3mal op, nach dem sturz hat man mir eine platte in das wadenbein op. Das löste sich, neue op. Dann riss die kniescheibe. Seitdem sitze ich im rollstuhl. Leider haben wir eine kleine wohnung mit 15 treppen nach draußem. Die vermieterin genehmigt keinen treppenlift. Wir suchen eine behindertengerechte wohnung. Keine chance in der profinz. Ich liege daher sehr viel.


Karin66
am 29.10.18

@Tilldinkel‍ 

Hallo,

sorry, dass ich erst jetzt antworte, aber im Moment habe ich echt irre viel um die Ohren - meine Mutter liegt im Krankenhaus (...mal wieder ein Sturz, 9. Brustwirbel gebrochen, aber zum Glück keine OP notwendig...). Wann sie genau entlassen wird, weiß ich leider noch nicht. Daher bin ich auch im Moment bei Ihr, bin am Donnerstag gleich nach meinem eigenen Arzt-Termin hierher gefahren. 

Da hast Du aber echt schon einige große Schicksalsschläge hinter Dir, insbesondere die vielen Operationen - das tut mir echt leid, dass Du SO oft unters Messer musstest. Und dass Du letztendlich ja wohl offenbar auch durch Fehler der Ärzte in Rollstuhl sitzt, finde ich besonders schlimm!

Ich weiß, dass es gerade auf dem Land nur sehr wenige wirklich behindertengerechte Wohnungen gibt - entweder muss man sie für teures Geld umbauen (wobei zwar Einiges auch von den Krankenkassen bzw. Rentenversicherungsträgern bezahlt wird, aber eben leider nie alles), oder gleich in eine neu gebaute Wohnung ziehen, die man sich dann letztendlich von der Miete her gar nicht mehr leisten kann. Echt traurig so was - vor allem, dass Du eben dadurch an Deine Wohnung gefesselt bist und so gut wie gar nicht mehr vor die Tür kommst. Kein Wunder, wenn man da negative Gefühle bis hin zur Depression entwickelt.

Hast Du denn gar keinen Pflegegrad? Kann ich mir bei Deinem Krankheitsbild und den Diagnosen eigentlich nicht vorstellen. Vielleicht könnte ja der medizinische Dienst Deiner Krankenkasse Deine Vermieterin davon überzeugen, dass ein Treppenlift eben auch finanziell gefördert werden kann und sie nicht alle Kosten allein tragen müsste? Sind denn bei Dir keine Angehörigen mehr da, die Dich da vielleicht irgendwie unterstützen könnten? Das fände ich natürlich sehr traurig, wenn es wirklich so wäre, dass Du ganz alleine stehst.

Lass Dich trotzdem nicht unterkriegen und versuch, Dein Leben so positiv zu gestalten wie irgend möglich! Alles Gute.

Karin


Tilldinkel
am 30.04.19

Hallo karin. Sorry, ich habe lange nichts geschrieben. Ja ich habe pflegegrad 3. Mein lieber mann, der im sept. 70 jahre alt wurde, unterstützt mich sehr liebevoll. Wir haben leider noch keine wohnung gefunden. Meine vermieterin ist eine böse und egoistische alte frau mit ihren 88 jahren.w Wie ignorieren sie jetzt. Mir geht es mal so, mal so. Ich bin jetzt zufrieden. Ich hoffe, ďaß es dir den umständen entsprechend gut geht. Ich habe nach vielen jahren wieder kontakt zu seh lieben freundinnen. Die jenigen wo ich dachte sie seien welche, haben mich enttäuscht. Liebe viele grüße an alle hella

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