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Nebenwirkungen aus dem Flakon

Veröffentlicht am 27.06.2017 • Von Giovanni Mària

Nebenwirkungen aus dem Flakon

Nebenwirkungen aus dem Flakon

Jucken, Quaddeln und andere Hautprobleme: Kosmetika und Parfums bergen gesundheitliche Risiken. Doch für die Hersteller gelten erstaunlich durchlässige Regeln.

Die Suche nach dem neuen Herrenduft fiel anders aus als erwartet. Der junge Mann hatte diverse Parfums ausprobiert und sein Handgelenk damit betupft. Bevor er die Duftnoten genießen konnte, juckte jedoch seine Haut, er fühlte sich unwohl und nach einigen Minuten bildeten sich rote Quaddeln. Die Nesselsucht verschwand zwar bald wieder, nachdem ihm der Arzt ein anti-allergisches Mittel gegeben hatte. Die Lust auf eine neue Geruchsnote war dem Mann dennoch vergangen.

Wer schön sein will, muss leiden - diese Erkenntnis bezieht sich nicht nur auf den Aufwand, den es manchmal erfordert, seine Erscheinung in einen passablen Zustand zu bringen. Vielmehr können darunter auch die gesundheitlichen Risiken verstanden werden, die durch Kosmetika, Parfums und andere Schönheitspflege drohen. Hautärzte und Vorsorgemediziner um Michael Kwa warnen im Fachblatt JAMA Internal Medicine (online) vor den Nebenwirkungen von Haartönungen, Lippenstiften und Co.

Die Wissenschaftler der Northwestern University Chicago haben Meldungen über Nebenwirkungen ausgewertet, die seit 2004 bei der US-Kontrollbehörde FDA zu Kosmetika und anderen Pflegeprodukten eingegangen sind. Während die Zahl zunächst zwischen 125 und 350 jährlichen Fällen schwankte, sind die Berichte über unerwünschte Reaktionen seit 2014 deutlich gestiegen. Waren es in jenem Jahr bereits 436 Nebenwirkungen, stiegen die entsprechenden Meldungen im Jahr 2015 auf 706 und erreichten 2016 gar 1591. "Es gab Aufsehen um Gesundheitsrisiken durch Lippenstift, Lidschatten und anderes Make-Up, sodass die Wahrnehmung für das Thema gestiegen ist", so die Autoren.

In jedem dritten Produkt, so die Vermutung, stecken hormonell wirksame Substanzen

2014 waren allein 127 Berichte über Nebenwirkungen einer Haarspülung bei der FDA eingegangen. Auf weitere Nachfrage zeigte sich, dass sich 21 000 Konsumenten bei der Firma über Haarausfall und Hautreizungen beschwert hatten, ohne dass diese die Gesundheitsbehörden davon unterrichtet hätte. In den USA müssen - wie in Deutschland auch - kosmetische Produkte kein Zulassungsverfahren durchlaufen. Lediglich bestimmte Inhalts- und Zusatzstoffe wie Konservierungs- und Farbstoffe müssen geprüft und zugelassen sein, aber dies ist keine Garantie dafür, dass die Produkte unschädlich sind. Zwar sollen die Hersteller die Unbedenklichkeit ihrer Produkte gewährleisten, doch wie das zu geschehen hat, ist nicht genau festgelegt.

In einem Kommentar in JAMA Internal Medicine fordern Ärzte der Duke University mehr Geld für Kontrollbehörden und verbindliche Register für kosmetische Produkte. In Europa gibt es zwar Register; trotzdem vermuten Umweltschützer in bis zu jedem dritten Kosmetikprodukt hormonell aktive Substanzen. Auch wenn einzelne Inhaltsstoffe unbedenklich sein sollten, ist unklar, was die Mischung - der "Cocktail-Effekt" - am und im Körper auslöst. Die EU Kommission betreibt ein Internetportal, in dem kosmetische Mittel vor der Vermarktung aufgeführt und Inhaltsstoffe in Nanogröße angegeben werden müssen. Zudem sind Hersteller verpflichtet, die Rezeptur ihrer Produkte zu hinterlegen, damit Giftzentralen bei Bedarf darauf zurückgreifen können. Vor Risiken und Nebenwirkungen sind Konsumenten damit nicht vollständig geschützt.

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Autor: Giovanni Mària, International Traffic Manager

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1 Kommentar


Andrea
am 27.06.17

Nebenwirkungen aus dem Flakon

Jucken, Quaddeln und andere Hautprobleme: Kosmetika und Parfums bergen gesundheitliche Risiken. Doch für die Hersteller gelten erstaunlich durchlässige Regeln.

Die Suche nach dem neuen Herrenduft fiel anders aus als erwartet. Der junge Mann hatte diverse Parfums ausprobiert und sein Handgelenk damit betupft. Bevor er die Duftnoten genießen konnte, juckte jedoch seine Haut, er fühlte sich unwohl und nach einigen Minuten bildeten sich rote Quaddeln. Die Nesselsucht verschwand zwar bald wieder, nachdem ihm der Arzt ein anti-allergisches Mittel gegeben hatte. Die Lust auf eine neue Geruchsnote war dem Mann dennoch vergangen.

Wer schön sein will, muss leiden - diese Erkenntnis bezieht sich nicht nur auf den Aufwand, den es manchmal erfordert, seine Erscheinung in einen passablen Zustand zu bringen. Vielmehr können darunter auch die gesundheitlichen Risiken verstanden werden, die durch Kosmetika, Parfums und andere Schönheitspflege drohen. Hautärzte und Vorsorgemediziner um Michael Kwa warnen im Fachblatt JAMA Internal Medicine (online) vor den Nebenwirkungen von Haartönungen, Lippenstiften und Co.

Die Wissenschaftler der Northwestern University Chicago haben Meldungen über Nebenwirkungen ausgewertet, die seit 2004 bei der US-Kontrollbehörde FDA zu Kosmetika und anderen Pflegeprodukten eingegangen sind. Während die Zahl zunächst zwischen 125 und 350 jährlichen Fällen schwankte, sind die Berichte über unerwünschte Reaktionen seit 2014 deutlich gestiegen. Waren es in jenem Jahr bereits 436 Nebenwirkungen, stiegen die entsprechenden Meldungen im Jahr 2015 auf 706 und erreichten 2016 gar 1591. "Es gab Aufsehen um Gesundheitsrisiken durch Lippenstift, Lidschatten und anderes Make-Up, sodass die Wahrnehmung für das Thema gestiegen ist", so die Autoren.

In jedem dritten Produkt, so die Vermutung, stecken hormonell wirksame Substanzen

2014 waren allein 127 Berichte über Nebenwirkungen einer Haarspülung bei der FDA eingegangen. Auf weitere Nachfrage zeigte sich, dass sich 21 000 Konsumenten bei der Firma über Haarausfall und Hautreizungen beschwert hatten, ohne dass diese die Gesundheitsbehörden davon unterrichtet hätte. In den USA müssen - wie in Deutschland auch - kosmetische Produkte kein Zulassungsverfahren durchlaufen. Lediglich bestimmte Inhalts- und Zusatzstoffe wie Konservierungs- und Farbstoffe müssen geprüft und zugelassen sein, aber dies ist keine Garantie dafür, dass die Produkte unschädlich sind. Zwar sollen die Hersteller die Unbedenklichkeit ihrer Produkte gewährleisten, doch wie das zu geschehen hat, ist nicht genau festgelegt.

In einem Kommentar in JAMA Internal Medicine fordern Ärzte der Duke University mehr Geld für Kontrollbehörden und verbindliche Register für kosmetische Produkte. In Europa gibt es zwar Register; trotzdem vermuten Umweltschützer in bis zu jedem dritten Kosmetikprodukt hormonell aktive Substanzen. Auch wenn einzelne Inhaltsstoffe unbedenklich sein sollten, ist unklar, was die Mischung - der "Cocktail-Effekt" - am und im Körper auslöst. Die EU Kommission betreibt ein Internetportal, in dem kosmetische Mittel vor der Vermarktung aufgeführt und Inhaltsstoffe in Nanogröße angegeben werden müssen. Zudem sind Hersteller verpflichtet, die Rezeptur ihrer Produkte zu hinterlegen, damit Giftzentralen bei Bedarf darauf zurückgreifen können. Vor Risiken und Nebenwirkungen sind Konsumenten damit nicht vollständig geschützt.


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