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Hydroxychloroquin als Behandlung von COVID-19: Was sind die Konsequenzen für chronisch erkrankte Patienten?

Veröffentlicht am 14.04.2020 • Von Camille Dauvergne

In den letzten Wochen hat Hydroxychloroquin und Chloroquin (Plaquenil, Quinoric, Resochin) aufgrund der umstrittenen Erkenntnisse, dass es eine wirksame Behandlung für die COVID-19-Infektion sein könnte, in den Medien große Aufmerksamkeit erregt.
Das Wissen der Öffentlichkeit darüber ist sprunghaft angestiegen!

Dennoch ist der Arzneistoff eine unverzichtbare Hintergrundtherapie für viele Patienten mit chronischen Krankheiten wie Lupus, rheumatoider Arthritis oder polymorphen Lichtausbrüchen.

Führt dieses starke Interesse an Hydroxychloroquin zu einer drohenden Verknappung oder Verschlechterung der Versorgung dieser Patienten? Wir baten die Mitglieder von Carenity um eine Bestandsaufnahme der Situation. Die in diesem Artikel vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer Studie, die vom 24. bis 30. März mit 244 Patienten mit Lupus und/oder rheumatoider Arthritis in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten durchgeführt wurde.

Hydroxychloroquin als Behandlung von COVID-19: Was sind die Konsequenzen für chronisch erkrankte Patienten?

Plaquenil u.ä. ist ein Medikament, das jedes Jahr zahlreichen Patienten mit chronischen Krankheiten verschrieben wird

Hydroxychloroquin hat entzündungshemmende und schmerzstillende Eigenschaften, weshalb es in der Rheumatologie und Dermatologie indiziert ist:

  • Als Hintergrundtherapie für Fälle von aktiver rheumatoider Arthritis
  • Als krankheitsmodifizierendes Mittel bei systemischem und diskoidem Lupus erythematodes
  • Für Hautkrankheiten, die durch Sonnenlicht verursacht oder verschlimmert werden, wie zum Beispiel polymorphe Lichtausbrüche

Seit Beginn der Pandemie hatten 40% der Patienten Schwierigkeiten, Plaquenil zu erhalten

Die Deutsche Rheuma-Liga sorgt sich nun um die sichere Medikamentenversorgung von Betroffenen mit Lupus erythematodes und rheumatoider Arthritis. Der Grund ist der möglicherweise steigende Einsatz der Medikamente Chloroquin und Hydroxychloroquin bei Patienten, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben. 

Auch aus Deutschland haben den Verband bereits Meldungen erreicht, wonach Hydroxychloroquin für Lupus-Patienten nicht mehr zu erhalten sei. Der Selbsthilfeverband hat deshalb in Briefen an das Bundesministerium für Gesundheit und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte appelliert, sich für eine sichere Versorgung der Patienten einzusetzen.

Eine 27-jährige französische Lupuspatientin erzählt von ihrem Kampf, Plaquenil zu finden: "Ich musste 10 Apotheken anrufen, um 3 Schachteln zu finden. Ich hoffe, dass diese Behandlung bei COVID-19 funktioniert, aber wir dürfen die chronischen Patienten nicht vergessen. Meine Internistin rief an und sagte, sie hätte etwas Plaquenil für mich, aber es wäre schön, wenn ich auch 1-2 Schachteln finden könnte. Mein Apotheker wird welche für mich bestellen."

Eine andere Lupuspatientin im Vereinigten Königreich teilt ihre Schwierigkeiten, ihr Plaquenil-Rezept zu bekommen: "Ich hatte ein Rezept, aber die Apotheke konnte mir nicht alles geben und hat mir bisher nur insgesamt 12 Tabletten gegeben. Ich habe zwei Wochen auf die restlichen Tabletten gewartet."

Um ihre Hintergrundbehandlung fortsetzen zu können, mussten 51% der Patienten besondere Vorkehrungen treffen, um ihr Plaquenil zu erhalten. Hier sind die Maßnahmen, die sie ergriffen haben:Massnahmen der Patienten

Trotz der Tatsache, dass sich die meisten ihrer Länder in Selbstisolierung befinden, mussten 17% der Patienten mehrere Apotheken aufsuchen, um ihre Hydroxychloroquin-Hintergrundbehandlung zu finden.

25 % der Patienten haben vorab ihr Rezept erneuern lassen, indem sie ihre Behandlung in einer Apotheke bestellten. Angesichts des derzeitigen Mangels haben fast 10% der Patienten Plaquenil eingelagert. Obwohl es verständlich ist, trägt dieses Verhalten zur Erschöpfung des verfügbaren Medikamentenvorrats bei. Aus diesem Grund kann es vorkommen, dass einige Apotheken die abgegebene Menge an Plaquenil reduzieren oder die Wartezeiten für die Nachbestellung verlängern.

Mehrere Patienten haben ihre Besorgnis über die Nichtverfügbarkeit von Plaquenil zum Ausdruck gebracht:

"Es ist beängstigend, nicht nur für uns selbst sorgen zu müssen, sondern auch, weil wir keinen Zugang zu unseren Medikamenten haben. Ich habe zwar ein Rezept für zwei Monate bekommen, aber ich kann sagen, dass dies eher ein mittel- oder langfristiges Problem sein wird, und der Umgang mit Lupus ist auch ohne das schon stressig genug".
(41-jähriger Lupus-Patient im Vereinigten Königreich)

"Aufgrund der hohen Nachfrage im Moment hat mir meine Versicherung das Medikament verweigert. Ich habe mich mit meiner Apotheke und meinem Arzt in Verbindung gesetzt, um sie wieder erstattet zu bekommen. Ich mache mir Sorgen, dass es in Zukunft nicht mehr genug davon geben wird, wenn ich es neu bestellen muss.
(37-jähriger Patient mit rheumatoider Arthritis in den USA) 

Fast 15% der Patienten mussten ihre Behandlung aufgrund des Plaquenil-Mangels reduzieren oder abbrechen

Seit Beginn des Ausbruchs haben 12% der Patienten die Einnahme von Plaquenil reduziert, während nur 2% die Einnahme vollständig eingestellt haben. Von den Patienten, die ihre Dosierung geändert haben, hat einer von zehn dies ohne Rücksprache mit ihrem Arzt getan! 

Die Hauptgründe, die von den Patienten für eine Änderung ihrer Behandlung genannt werden, hängen mit den Schwierigkeiten zusammen, die bei der Beschaffung ihres Plaquenils aufgetreten sind (Lagerknappheit in bestimmten Regionen, lange Lieferzeiten usw.). Häufig haben sie ihre Behandlung nicht freiwillig geändert, sondern waren durch die aktuelle Situation und die Schwierigkeiten bei der Kontaktaufnahme mit dem überweisenden Arzt dazu gezwungen.

Ein 45-jähriger Lupuspatient in Frankreich kommentierte dies mit den Worten: "Für mich war es unmöglich, Plaquenil zu finden. Jetzt mache ich mir Sorgen um meine Gesundheit. Ich habe Angst vor einem erneuten Rückfall, weil ich die Dosis gesenkt habe. Ich hoffe wirklich, dass die Apotheken bald liefern werden."

Auch eine Patientin mit rheumatoider Arthritis in den USA teilte ihre Befürchtungen: "Mein Rheumatologe wies mich an, mein Plaquenil zu rationieren, damit es lange hält. Ohne Plaquenil läuf bei mir nichts. Mit ihm bin ich in der Lage, mein Leben zu leben und zur Arbeit zu gehen." 

Sie sollten es unbedingt vermeiden sollten, Ihre Plaquenil-Einnahme ohne Rücksprache mit Ihrem Arzt abzubrechen oder zu ändern. Sie sollten daher eine Erneuerung Ihrer Verschreibung so weit wie möglich im Voraus einplanen.

Darüber hinaus schützt Sie Plaquenil nicht vor einer Infektion mit dem Coronavirus, daher ist es wichtig, dass Sie weiterhin die Barrieregesten anwenden und die Richtlinien zur sozialen Distanzierung strikt befolgen. 

Sie haben eine Langzeitbehandlung mit Plaquenil: Wie müssen Sie vorgehen, um Ihr Medikament zu erhalten?

Das deutsche Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte weist darauf hin, dass es bisher keinen eindeutigen Wirksamkeitsnachweis gibt. Entsprechend ist für Deutschland auch noch keine Therapieempfehlung ausgesprochen worden. Nur bei schweren Verläufen von COVID-19 darf daher im Rahmen einer Einzelfallentscheidung als individueller Therapieversuch Hydroxychloroquin eingesetzt werden.

Am 27. März haben haben die Tübinger Tropenmediziner im Verbund mit dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sowie dem Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart eine klinische Studie zur Testung des Wirkstoffs Hydroxychloroquin gegen das Virus SARS-CoV-2 gestartet. Die Studie wird voraussichtlich vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. 

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat darüber hinaus einen Aufruf des Bundesgesundheitsministeriums zur bedarfsgerechten Verordnung von Arzneimitteln verbreitet. Hiermit sollen Versorgungsengpässe während der Corona-Epidemie vermieden und eine adäquate Behandlung von Patienten, die zwingend auf Arzneimittel angewiesen sind, sichergestellt werden. Ärzte sind aufgefordert, Arzneimittel nur bedarfsgerecht und nur für den üblichen Zeitraum zu verordnen. Außerdem soll auf Privatrezepte zur Bevorratung verzichtet werden. Bei Einhaltung dieser und weiterer Maßnahmen kann eine flächendeckende Versorgung gut gesteuert werden.

Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie hat Kontakt zu den Herstellern von Hydroxychloroquin aufgenommen und zusätzliche Maßnahmen in die Wege geleitet, die die Versorgung von Rheumapatienten sicherstellt. Bei Lieferschwierigkeiten können sich Apotheker nun direkt an die Hersteller wenden. Auch die DGRh unterstützt die bedarfsgerechte Verordnung, wie sie die AkdÄ verbreitet hat.

Lupus Europe empfiehlt Betroffenen, ihr Medikament schon einige Tage, bevor die aktuelle Packung aufgebracht ist, bei ihrer üblichen Apotheke vorzubestellen. Zudem sollte der Rheumatologe auf dem Rezept vermerken, dass der Patient an Lupus erkrankt ist. Dann könne die Apotheke das Medikament leichter beziehen.

Dementsprechend sollten Sie auch denjenigen, der Ihnen Plaquenil verschrieben hat (d.h. Ihren Rheumatologen, Internisten, Dermatologen, Nephrologen, Neurologen oder Kinderarzt) informieren, damit er oder sie die Dringlichkeit Ihres Rezepts vermerkt.

Gehören Sie auch zu den 40% der Patienten, die Schwierigkeiten hatten, ihr Plaquenil zu erhalten? Welche Lösungen haben Sie gefunden?

Erzählen Sie uns in den folgenden Kommentaren über Ihre Erfahrungen!

3 Kommentare


biggi1964 • Botschafter-Mitglied
am 14.04.20

Vielen herzlichen Dank für den interessanten Artikel.

Bitte lasst den Erkrankten das Medikament die es zur Zeit benötigen und erst wenn wird wirklich feststeht das es wirkt, sollte man es wegen Covid einnehmen, denn es hat auch deutliche Nebenwirkungen


Jenny1
am 15.04.20

Finde Ich auch. Ich habe heute eine Postkarte von meiner Physiotherapeutin bekommen , habe mich sehr gefreut. lg J


Silke2017
am 16.04.20

In Schleswig-Holstein ist es jetzt so geregelt, dass Rheumapatienten Quensyl verordnet bekommen mit zusätzllicher Angabe der Diagnose.  So bekommen diese sicher ihr Medikament. 

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