Körperliche Aktivität: Kann sie bei der Behandlung von Depressionen helfen?
Veröffentlicht am 31.01.2022 • Von Courtney Johnson
In Deutschland leidet etwa einer von fünf Menschen im Laufe seines Lebens an Depressionen und Antidepressiva sind die Standardtherapie hierbei. Pharmazeutische Behandlungen sind jedoch bei weitem nicht die einzige Lösung!
Forschungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass körperliche Aktivität ebenfalls eine wirksame Behandlungsoption bei psychischen Gesundheitsstörungen ist.
Welche Vorteile hat körperliche Aktivität für unsere psychische Gesundheit? Welcher Zusammenhang besteht zwischen körperlicher Aktivität und Depressionen?
Wir sagen Ihnen alles in unserem Artikel!
Wenn man an einem psychischen Problem wie Angstzuständen oder Depressionen leidet, scheint körperliche Betätigung das Letzte zu sein, was man tun möchte. Aber wenn die Motivation hierzu gefunden wird, kann körperliche Aktivität einen großen Unterschied für unsere psychische Gesundheit machen!
Es konnte bewiesen werden, dass körperliche Aktivität dazu beiträgt, verschiedenen Gesundheitsproblemen vorzubeugen und sie zu verbessern, darunter Arthritis, Bluthochdruck und Diabetes. Die Forschung hat außerdem gezeigt, dass regelmäßige körperliche Aktivität die Symptome von Angststörungen und Depressionen verringern, den Schlaf verbessern und Stress abbauen kann.
Pharmazeutische Behandlungsmöglichkeiten und Psychotherapie sind zwar die am häufigsten angewendeten und wirksamsten Methoden zur Behandlung von Depressionen, doch die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass auch Veränderungen des Lebensstils wie körperliche Aktivität ein wirksames Instrument zur Bewältigung von Depressionen sein können.
Auf welche Weise kann körperliche Aktivität bei der Behandlung von Depressionen helfen?
Körperliche Aktivität hat eine Reihe von psychologischen Vorteilen. Wenn wir uns körperlich betätigen, setzt der Körper chemische Substanzen frei, die Endorphine genannt werden. Diese Endorphine interagieren mit den Rezeptoren in unserem Gehirn, die die Wahrnehmung von Schmerzen reduzieren. Außerdem lösen sie im ganzen Körper ein positives Gefühl aus, das dem durch Morphium hervorgerufenen Gefühl ähnelt.
Zum Beispiel haben Sie vielleicht gehört, wie Langstreckenläufer ein euphorisches Gefühl nach dem Lauf beschreiben, das als „runner's high“ (Läuferhoch) bezeichnet wird - eine bildliche Darstellung der Endorphine in Aktion! Dieses „Hoch“ kann auch mit einem Gefühl von Energie und einer positiven Einstellung einhergehen.
Endorphine wirken auch als Analgetika, d.h. sie reduzieren die Wahrnehmung von Schmerzen. Die neuronalen Rezeptoren im Gehirn, an die die Endorphine binden, sind dieselben wie die Rezeptoren, die an bestimmte Schmerzmittel binden. Im Gegensatz zu Morphium löst die Aktivierung dieser Rezeptoren durch Endorphine im Laufe der Zeit jedoch weder Abhängigkeit noch Gewöhnung aus.
Körperliche Aktivität trägt auch auf folgende Weise zum psychischen Wohlbefinden bei:
- Bewegung verbessert die körperliche Verfassung und steigert das Selbstbewusstsein. Regelmäßige körperliche Aktivität kann unsere körperliche Verfassung verbessern, indem sie das Risiko von Herzerkrankungen senkt, den Blutzuckerspiegel steuert, den Blutdruck senkt und ein gesundes Gewicht hält oder beim Gewichtsverlust hilft. Diese Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheit können das Selbstvertrauen steigern, da Sie eine aktive Rolle in Bezug auf Ihre Gesundheit spielen!
- Bewegung fördert die soziale Interaktion. Die Mitgliedschaft in einem Walking- oder Laufverein, die Teilnahme an einem Gruppenkurs oder die Ausübung von Sport in der Freizeit bietet viele Möglichkeiten zur sozialen Interaktion, was das Gefühl der Isolation verringern kann, ein Schlüsselfaktor bei der Verbesserung depressiver Symptome.
- Bewegung bietet ein mentales Ventil. Sport kann eine weitere Form der Selbsthilfe sein, indem er Ihnen Zeit und Raum gibt, um den Geist zu beruhigen und sich auf sich selbst zu konzentrieren. Sie kann Ihnen helfen, sich von negativen Denkmustern oder Angstzuständen zu entfernen.
- Bewegung bietet einen gesunden Bewältigungsmechanismus. Wenn Sie an Depressionen leiden, greifen Sie nicht selten zu ungesunden Bewältigungsstrategien wie sozialem Rückzug oder dem gefährlichen Konsum von Alkohol, Drogen oder auch Nahrungsmitteln. Körperliche Aktivität ist ein positives Mittel, um Emotionen oder Stress zu kanalisieren.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen körperlicher Aktivität und Depressionen?
Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei Bewegung zwar keinesfalls um ein Heilmittel für Depressionen, spielt aber neben Medikamenten und Psychotherapie eine wichtige Rolle bei der Behandlung der Symptome.
Eine Metaanalyse, die 2018 in der medizinischen Fachzeitschrift JAMA Psychiatry veröffentlicht wurde, hat hervorgehoben, dass Widerstandsübungen (Gewichtheben) die depressiven Symptome bei Erwachsenen deutlich reduzierten. Die Autoren der Studie stellten fest, dass bei Erwachsenen mit leichter bis mittelschwerer Depression die depressiven Symptome signifikant zurückgingen, wenn sie an zwei oder mehr Tagen pro Woche Widerstandstraining betrieben, verglichen mit Patienten, die keine Gewichte hoben.
Eine weitere Studie aus dem Jahr 2018, die in Frontiers in Psychiatry veröffentlicht wurde, zeigte, dass körperliche Aktivität zu einer stärkeren Verringerung der depressiven Symptome sowie zu einer stärkeren Verbesserung der kognitiven Funktion und der Schlafqualität führt. Von den Studienteilnehmern zeigten 75% entweder eine vollständige Remission der Depressionssymptome oder ein therapeutisches Ansprechen, verglichen mit den 25% derer, die sich nicht sportlich betätigten.
Schließlich haben die Forscher auch begonnen, das Thema aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten - vom Zusammenhang zwischen regelmäßiger körperlicher Aktivität und der Verminderung depressiver Symptome bis hin zum Zusammenhang zwischen geringer körperlicher Aktivität und stärkeren Depressionen.
Zum Beispiel ergab eine 2020 in BMC Medicine veröffentlichte Studie, dass Menschen, die in schlechterer muskulärer und athletischer Form fast doppelt so häufig an Depressionen leiden.
Diese und andere Ergebnisse der letzten Jahre haben die medizinische Fachwelt zu dem Schluss kommen lassen, dass körperliche Aktivität als ergänzende Behandlung zu herkömmlichen Antidepressiva und Psychotherapie ein Schlüsselinstrument bei der Behandlung von Depressionen ist und sogar die Wirksamkeit dieser Behandlungen verbessern kann.
Welche Arten von körperlicher Aktivität eignen sich am besten zur Bekämpfung von Depressionen?
Ärzte empfehlen jede Form von Bewegung zur Behandlung von Depressionen. Wenn Sie eine Inspiration brauchen, sind hier einige typische Formen moderater körperlicher Aktivität:
- Laufen
- Fahrradfahren
- Tanzen
- Hausarbeit (insbesondere Kehren, Wischen oder Staubsaugen)
- Gartenarbeit
- Aerobic mit geringer Belastung
- Schwimmen
- Yoga oder Pilates
- Tennis
- Joggen in einem gemäßigten Tempo
- Golf (im Gehen)
Da starke soziale Bindungen und Unterstützung für Menschen, die mit Depressionen leben, wichtig sind, könnten Sie in Erwägung ziehen, sich für einen sportlichen Gruppenkurs anzumelden oder mit einem/r Freund/in oder Partner/in zu trainieren.
Die WHO empfiehlt Erwachsenen, pro Woche mindestens 150 Minuten Herz-Kreislauf- oder Aerobic-Training mit mäßiger Intensität anzustreben, plus zwei Sitzungen mit Muskelaufbauübungen, die auf die wichtigsten Muskelgruppen abzielen.
Einfacher ausgedrückt: 150 Minuten pro Woche setzen sich aus fünf Tagen mit 30-minütigen Cardioeinheiten und zwei Tagen mit Krafttraining zusammen.
Wie kann der Anfang erfolgen?
Es kann schwierig sein, wieder mit regelmäßigem Sport anzufangen. Hier sind einige Tipps, die Ihnen dabei helfen können:
- Finden Sie den Zweck! Stellen Sie sich die Frage „Warum mache ich das?“. Was möchten Sie erreichen, indem Sie aktiv werden? Wenn Sie Ihren Zweck finden, hilft Ihnen das, Ihre Motivation aufrechtzuerhalten, wenn die Dinge schwieriger werden.
- Setzen Sie sich realistische Ziele! Wenn es darum geht, Sport zu treiben, kann es Ihnen wirklich helfen, am Ball zu bleiben, wenn Sie sich kleine, erreichbare und kurzfristige Ziele setzen. Setzen Sie sich zu Beginn das Ziel, zwei Wochen lang an zwei oder drei Tagen pro Woche Sport zu treiben. Wenn Sie dieses Ziel erreicht haben, fügen Sie einen weiteren Tag hinzu. Selbst die kleinste Veränderung stellt einen großen Schritt zur Verbesserung Ihrer geistigen und körperlichen Verfassung dar!
- Finden Sie einen Trainingspartner! Mit einem/r Freund/in zu trainieren macht nicht nur mehr Spaß, sondern kann uns auch in die Verantwortung nehmen! Suchen Sie sich einen Trainingspartner und machen Sie aus, sich an drei Tagen in der Woche zu einer Trainingseinheit zu treffen. Legen Sie Zeit und Ort fest und erinnern Sie den anderen per Telefon oder SMS daran. Gemeinsam sind wir stark!
- Probieren Sie die 10x3-Methode aus! Wenn Sie einen vollen Terminkalender haben, scheint es unmöglich, 30 Minuten für das Training aufzuwenden. Warum teilen Sie sie nicht in drei kürzere Einheiten auf? Bewegung ist auch dann noch von Vorteil, wenn sie in kleinen Zeitabschnitten über den Tag verteilt ausgeübt wird. Sie könnten z.B. morgens einen 10-minütigen Spaziergang machen, einen weiteren 10-minütigen Spaziergang zur Mittagszeit und den Tag mit einem 10-minütigen Spaziergang nach dem Abendessen beenden!
- Finden Sie heraus, was für Sie funktioniert! Wie wir versucht haben zu veranschaulichen, ist Bewegung mehr als nur körperlich. Es kann sich um einen Moment handeln, in dem man sich auf sich selbst konzentriert und den Kopf frei bekommt, also sollten Sie davon profitieren! Scheuen Sie sich nicht, verschiedene Arten von Übungen auszuprobieren und zu sehen, was für Sie funktioniert - oder eben nicht funktioniert. Probieren Sie es zu verschiedenen Tageszeiten, in verschiedenen Umgebungen, allein, mit Freunden, bis Sie das finden, was Sie dazu bringt, in Bewegung zu bleiben!
Regelmäßige körperliche Aktivität kann Wunder für Ihre körperliche und geistige Verfassung bewirken. Obwohl die Forschung ihre Vorteile und ihre Fähigkeit, depressive Symptome bei leichten bis mittelschweren Depressionen zu verringern, belegt hat, ist sie kein Ersatz für eine medizinische Behandlung oder Therapie. Sprechen Sie vorher mit Ihrem Arzt darüber und klären Sie ab, ob Sport eine gute ergänzende Option für Sie ist.
War dieser Artikel hilfreich für Sie?
2 Kommentare
Sie werden auch mögen
Jeder sollte sich mit seiner Krankheit auseinandersetzen und ein Netzwerk aufbauen
30.07.2018 • 7 Kommentare