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Long COVID: “Es ist unmöglich für mich, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, so stark behindern mich diese Symptome im Alltag”

Veröffentlicht am 14.04.2021 • Von Candice Salomé

Pompon005, Mitglied der französischsprachigen Community von Carenity, spürt viereinhalb Monate nach ihrer Ansteckung mit COVID-19 immer noch Symptome. Als stellvertretende Direktorin kann sie nicht in ihren Beruf zurückkehren, da die Symptome sie im täglichen Leben so sehr beeinträchtigen.

Sie erzählt ihre Geschichte bei Carenity!

Long COVID: “Es ist unmöglich für mich, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, so stark behindern mich diese Symptome im Alltag”

Hallo Pompon005, Sie haben sich bereit erklärt, Carenity Ihre Geschichte zu erzählen und dafür danken wir Ihnen.

Können Sie uns zunächst mehr über sich selbst erzählen?

Ich bin 56 Jahre alt, von meinem Mann getrennt, ich habe zwei wunderbare Töchter im Alter von 21 und 19 Jahren und eine Katze, die ich vor zwei Monaten adoptiert habe.

Ich bin stellvertretende Direktorin an einer weiterführenden Schule, aber im Moment krankgeschrieben.

Meine Leidenschaft gilt unter anderem der Fotografie, der Ahnenforschung, aber auch Wortspielen.

Ich betreibe aufgrund Schmerzen und instabilen Gelenken keinen Sport. Als ich jünger war, habe ich Tennis gespielt …

Wann haben Sie sich mit COVID-19 angesteckt? Welche Symptome hatten Sie und wie lange? Wie haben Sie die Krankheit erlebt?

Ich bekam die ersten Symptome von COVID-19 am 26. Oktober 2020. Starke Müdigkeit, Hypersomnie, Kopfschmerzen und schweren Muskelkater. Jedoch kein Fieber, kein Husten, kein Geschmacks- und Geruchsverlust.

Zu Beginn dachte ich, es sei die Grippe, da ich keine Zeit gehabt hatte, mich impfen zu lassen. Nach drei Tagen habe ich meinen Arzt kontaktiert, der mir zu einem COVID-Test riet, welcher negativ ausfiel. Die Symptome waren immer noch intensiv, ein zweiter Test wurde am 09. November durchgeführt und er fiel positiv aus. Um genau zu sein, wurde ein Nasopharynx-Abstrich jedes Mal nur in einem Nasenloch durchgeführt.

Außer mit Paracetamol gegen den Muskelkater wurde ich nicht weiter behandelt.

Mein Arzt hat mich bis zum 16. Dezember krankgeschrieben.

Nach 2 Wochen verschwanden die Kopfschmerzen, aber die Müdigkeit und der Muskelkater hielten 6 Wochen lang an, mit einer leichten Abnahme der Intensität.

Dann hatte ich Probleme mit den Bronchien und ein bißchen Fieber. Es wurde eine Behandlung mit Antibiotika begonnen. Es trat jedoch Kurzatmigkeit beim Gehen auf.

Eine Thoraxaufnahme wurde erstellt und sie zeigte eine Bronchialerweiterung. Ich bekam einen Termin bei einem Lungenfacharzt, aber bis heute erhielt ich keine Behandlung …

Darüber hinaus bekam ich nach und nach Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, die bis heute andauern.

Zu Beginn habe ich COVID-19 nicht als schlimm erlebt, da ich die Chance hatte, gut versorgt zu sein und daher zu Hause bleiben konnte. Es war sicherlich eine schwere Zeit, die es zu überstehen galt, aber da ich von Natur aus optimistisch bin, stellte ich mir vor, dass ich ziemlich schnell wieder auf die Beine kommen würde.

Zu Beginn hat mir mein Arzt gesagt, dass die Symptome nach zwei Wochen abklingen würden, also machte ich mir nicht zu viele Sorgen. Im Laufe der Zeit, sah ich aber kaum Verbesserung und das Auftreten anderer Symptome beruhigte mich nicht. Ab Mitte Dezember gab es punktuelle Verbesserungen (1 oder 2 Tage), die falsche Hoffnungen weckten.

Und ab diesem Moment gab es abwechselnd Verbesserungen, gefolgt von Verschlechterungen.

Ich dachte, ich könnte meine Arbeit wieder aufnehmen, aber das erwies sich als unmöglich. Tatsächlich ist der Morgen immer mehr oder weniger kompliziert, was die Müdigkeit und das Aufwachen betrifft.

Seit einigen Monaten verspüren Sie immer wieder Symptome von COVID-19. Könnten Sie uns mehr darüber sagen (Art, Häufigkeit, Intensität)? Was sind die Nachwirkungen von COVID-19?

Bis zum heutigen Tag, also viereinhalb Monate nach der Ansteckung mit COVID-19, habe ich meinen früheren Gesundheitszustand noch nicht wiedererlangt.

Natürlich sind Muskelkater und Kopfschmerzen allmählich wieder verschwunden, aber bis zum heutigen Tag sind geblieben:

  • Müdigkeit, die so stark ist, dass das Bedürfnis nach Schlaf manchmal so heftig ist, dass es unmöglich wird, dagegen anzukämpfen
  • Konzentrations- und Gedächtnsprobleme
  • Schwankende Muskelschmerzen
  • Kurzatmigkeit

Von Zeit zu Zeit kommt es erneut zu Muskelkater sowie einer starken Müdigkeit für mehrere Tage. Dies scheint zyklisch zu sein.

Beeinträchtigen diese Symptome Ihren Alltag? Arbeiten Sie noch?

Es ist unmöglich für mich, an meinen Arbeitsplatz zurückzukehren, so stark behindern mich diese Symptome im Alltag. Ich bin daher immer noch krankgeschrieben. Ich habe einen Beruf, der Konzentration, Erinnerungsvermögen und eine gewisse Energie erfordert, denn die Arbeit mit Jugendlichen verlangt mir alle meine Fähigkeiten ab!

Ihr Hausarzt hat eine langfristige Krankschreibung beantragt? Könnten Sie uns dazu mehr sagen? Welche Schritte müssen unternommen werden? Denken Sie, dass sie gewährt wird?

Angesichts dieser anhaltenden Symptome erwähnte mein Arzt den Begriff Long COVID-19. Sie hat eine langfristige Krankschreibung beantragt. Da ich Mitarbeiter des staatlichen Bildungssystems bin, wird diese Krankmeldung durch den Hausarzt bei dieser Verwaltung beantragt. Ich selbst musste meinerseits „diesen Antrag duplizieren“ und ihr ärztliches Attest in einem versiegelten Umschlag beifügen. Diese Anfrage wird nicht automatisch angenommen, sondern wird an einen medizinischen Ausschuss geschickt, der ein Gutachten von einem beauftragten Arzt anfordert. Ich wurde zu diesem Arzt am 01. März geschickt. Bis heute keine Antwort. Der medizinische Experte hat mir erklärt, dass Long COVID-19 vorerst nicht zu den Erkrankungen gehört, die für eine langfristige Krankschreibung in Frage kommen, vor allem, da ich auch an anderen Krankheiten leide. Ich habe ihm erklärt, dass die momentanen Symptome neu für mich seien und meinen Alltag beeinträchtigen, viel mehr als meine bekannten Erkrankungen, die mich nicht daran hindern, zu arbeiten.

Was denken Sie über die Betreuung bei Long COVID? Fühlen Sie sich von der Ärzteschaft verstanden und unterstützt?

Long COVID-19 beginnt, in breiterem Rahmen diskutiert zu werden. Eine Vereinigung „Après-J20“ wurde gegründet, um mit den Gesundheitsbehörden über die Betreuung und Berücksichtigung dieser neuen Krankheit zu sprechen. Dies ermöglicht, einige Informationen zu erhalten.

Mein Hausarzt gibt zu, nicht genau zu wissen, an wen ich mich wenden soll, da es im Moment nur wenige multidisziplinäre Sprechstunden gibt. Der Termin in der Pneumologie war eher enttäuschend. Bezüglich der Konzentrations- und Gedächtnisprobleme ist alles in der Schwebe. Ich denke, dass die Ärzte noch nicht genug Informationen zur Betreuung der Patienten mit Long COVID-19 haben und im Dunkeln tappen. Also ja, ich fühle mich auf der medizinischen Ebene ein bißchen vergessen und es ist manchmal beängstigend, weil man nicht weiß, wo es hingeht.

Leiden Sie auch an anderen Erkrankungen? Wenn ja, welche? Denken Sie, dass diese Erkrankungen die Ursache der Symptome von Long COVID sein können? Was sagen Ihre Ärzte dazu?

Darüber hinaus leide ich auch an anderen Erkrankungen:

  • Ehlers-Danlos-Syndrom: eine Kollagenerkrankung, die Hyperlaxität, Müdigkeit und Schmerzen verursacht … Die Müdigkeit ist aber nicht dieselbe, wie die, die bei Long COVID-19 empfunden wird. Die beiden Arten an Müdigkeit existieren nebeneinander und werden zu einer wirklichen Beeinträchtigung.
  • Typ-2-Diabetes: In der Regel gut ausgeglichen. Trotzdem bemerke ich manchmal eine anarchische Hyperglykämie, ohne zu wissen, ob es einen Zusammenhang zu COVID-19 gibt. Mein Endokrinologe hat keine Antwort auf diese Frage.
  • Trockenes Syndrom (ou Sjögren-Syndrom): Fehlen von Speichel, bisher keine Diagnose gestellt.
 

Was ich feststellen kann, ist, dass COVID-19 einige Symptome wie Müdigkeit und Schmerzen verstärkt hat.

Was die Frage betrifft, ob diese Erkrankungen die Ursache für Long COVID-19 sein können, das denke ich nicht.

Andererseits befinde ich mich in einem fast permanenten Entzündungszustand und dies hat es dem COVID-19-Virus vielleicht ermöglicht, in meinen Organismus einzudringen und meine Schwachstellen anzugreifen.

Wie blicken Sie in die Zukunft? Was sind Ihre Projekte?

Meine derzeitige Ansicht: Dass die Autoritäten aufhören, uns alles und sein Gegenteil zu erzählen, und die Erforschung wirksamer Moleküle gegen COVID-19 fördern, aber auch die lange Pflegebedürftigkeit und die Krankschreibungen bei Long COVID anerkennen. Wann gibt es einen ALD (französisches System für Langzeiterkrankungen) und einen Langzeitkrankschreibung, wenn es notwendig ist?

Projekte? Im Moment keine. So wie die Dinge stehen, bin ich nicht in der Lage irgendwas zu planen. Meine Priorität ist es, meine Energie, Konzentrationsfähigkeit und mein Gedächtnis wiederzuerlangen.

Natürlich hoffe ich, dass ich meinen Beruf wieder aufnehmen kann, sobald es eine spürbare Besserung gibt.

Kleine Schritte nach vorne in der Hoffnung, dass Long COVID-19-Patienten von einer multidisziplinären Betreuung Gebrauch machen können, um unsere Lebensqualität zu verbessern.

Was möchten Sie den Mitgliedern raten, die ebenfalls an Long COVID leiden?

Was ich allen Betroffenen von Long COVID-19 sagen möchte, ist: Vor allem positiv bleiben, es akzeptieren und genug Zeit lassen. Sich die Zeit nehmen, sich auszuruhen, zu schlafen, wenn einem danach ist. Man versucht, unsere Konzentration anzuregen, unser Gedächtnis durch Lektüre, Gesellschaftsspiele, ein bißchen, jeden Tag.

Achten Sie auf soziale Bindungen, da sie unerlässlich sind. In der Tat, wenn man müde, erschöpft ist, neigt man dazu, sich zurückzuziehen.

Und dann sollten wir uns miteinander austauschen, unsere Tipps, unsere Fortschritte, aber auch unsere Sorgen mitteilen. Carenity bietet uns diese Möglichkeit und man muss sie nutzen.

Ein letztes Wort?

Ich wünsche allen Mut, lassen Sie uns die Hoffnung bewahren und wir werden das Licht am Ende des Tunnels sehen.

Danke an Candice dafür, dass sie mir ermöglicht hat, diese Patientengeschichte zu schreiben!


Nochmals Danke an Pompon005 dafür, mit Carenity gesprochen zu haben!

War diese Patientengeschichte hilfreich für Sie?

Gerne können Sie Ihre Gedanken und Fragen in den untenstehenden Kommentaren mitteilen!

Alles Gute!


avatar Candice Salomé

Autor: Candice Salomé, Gesundheitsredakteurin

Candice ist Content Creator bei Carenity und hat sich auf das Schreiben von Gesundheitsartikeln spezialisiert. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen Psychologie, Wellbeing und Sport. 

Candice hat einen... >> Mehr erfahren

1 Kommentar


biggi1964 • Botschafter-Mitglied
am 15.04.21

Ein sehr interessanter  Bericht, der mich betroffen macht.

Meine Oberärztin war auch an Covid erkrankt und hat auch Konzentrations und Gedächtnisstörungen.

Schauen sie positiv nach Vorne.

Lieben Gruß von 

Biggi

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