Krankheitsgeschichte der Familie: Warum ist sie wichtig?
Veröffentlicht am 25.11.2020 • Aktualisiert am 27.11.2020 • Von Doriany Samair
Obwohl die Vorhersage des Auftretens von Krankheiten noch nicht zur Realität gehört, ist es jetzt möglich, die Risiken einer Erkrankung anhand der familiären Krankheitsgeschichte zu untersuchen.
Aber was ist eine „familiäre Krankheitsgeschichte“? Warum ist es wichtig, sich dieser bewusst zu sein? Was sagen uns unsere Gene über unsere Gesundheit? Um welche Krankheiten handelt es sich?
Um diese Fragen zu beantworten, hat Carenity seine Mitglieder befragt. Ziel war es, beurteilen zu können, inwieweit Patienten ihre Familienanamnese berücksichtigen, und herauszufinden, was das Einholen dieser Informationen erschwert.
Familiäre Krankengeschichte
Worum handelt es sich?
Gesundheit ist oft eine Familiensache. Wir teilen weitaus mehr als nur körperliche Eigenschaften mit unseren Familienmitgliedern: die Art zu leben (Essgewohnheiten und Lebensstil), das Umfeld und die Gene. Alle diese Elemente zusammen setzen uns gemeinsamen Risikofaktoren aus.
Als Teil einer Umfrage hat Carenity seine Mitglieder zu deren familiären Krankheitsgeschichten befragt. 445 Mitglieder haben an dieser Umfrage teilgenommen, nachdem sie ihre diagnostizierten Leiden angegeben hatten.
84% der Befragten haben von dem Konzept der familiären Krankheitsgeschichte noch nichts gehört.
Dieses Konzept scheint noch wenig bekannt, ist aber eigentlich ein gängiges Gesprächsthema. Letztlich geht es darum, medizinische Informationen über die eigene Familie zu erhalten: "In welchem Alter starb mein Urgroßvater? Hatte meine Großtante Brustkrebs? Warum starb der Onkel meiner Mutter so früh? Warum beobachtet Oma ihren Zuckerspiegel? Warum ist mein Bruder Bluter und ich nicht?"
Dies sind Themen, die ebenfalls Teil der Routine-Fragen bei einer ärztlichen Untersuchung sein können. Zum Beispiel, um das kardiovaskuläre Risiko einer Person zu identifizieren, wird der frühe Tod eines Verwandten (durch Herzinfarkt oder plötzlichen Tod) berücksichtigt und stellt einen Risikofaktor dar.
Wie stellen wir die familiäre Krankheitsgeschichte fest?
Laut der Carenity-Umfrage waren sich 53,9 % der Befragten vor ihrer Diagnose der Familiengeschichte bewusst.
Wer wird einbezogen?
Krankheiten zu identifzieren, die vermehrt in derselben Familie über Generationen hinweg auftreten, entspricht im Wesentlichen der Erstellung der familiären Krankheitsgeschichte. Es geht darum, Veranlagungen für bestimmte Krankheiten innerhalb der Familie zu identifizieren.
Um dies zu tun, ist es notwendig, medizinische Informationen der nahen Familienmitglieder, mit denen man blutsverwandt ist, zu sammeln: Eltern, Großeltern sowie Ur-Großeltern, Brüder und Schwestern, Neffen und Nichten, Onkel und Tanten sowie Kinder.
Es ist eine gute Idee, diese Familienmitglieder direkt anzusprechen und ihnen die Vorgehensweise und Ziele der Informationssammlung zu erläutern (Austausch innerhalb der Familie). Selbstverständlich handelt es sich hierbei um private Informationen, für die ein persönliches Gespräch erforderlich sein kann.
Was wird einbezogen?
Manche Details erscheinen überflüssig oder unbedeutend, aber einige sollten nicht übersehen werden. Um das Fragen zu erleichtern: Sich nach den Todesursachen von Familienmitgliedern erkundigen sowie das Notieren des Todesalters ist ein guter Weg, um die Nachforschungen zu beginnen. Es kann nützlich sein, eine ausführliche Liste aller wichtigen Erkrankungen von jedem Familienmitglied anzufertigen (auch wenn viele davon, wie zum Beispiel Infektionskrankheiten, keine erbliche Übertragung beinhalten). Notieren Sie das Alter, wann die Krankheiten zum ersten Mal aufgetreten sind. Das Alter ist ein wichtiger Hinweis: Eine Krankheit kann beispielsweise vorherrschend bei jungen Menschen vorkommen. Es ist möglich, Ihre ethnische Abstammung zu verfolgen, da einige ethnische Gruppen bestimmte gemeinsame Risikofaktoren haben, zum Beispiel treten Sichelzellerkrankungen häufiger in Populationen auf, die aus dem Mitteelmeerraum oder Afrika stammen. Darum ist es notwendig, nicht zu vergessen, Krebserkrankungen, Tot- sowie Fehlgeburten, nicht angeborene Missbildungen, Allergien und andere wiederkehrende Erkrankungen in der Familie zu erwähnen.
Die Idee dahinter ist, relevante medizinische Informationen zu sammeln, um feststellen zu können, welchen Krankheiten unser Familienumfeld ausgesetzt ist. Es muss dabei bedacht werden, dass diese Veranlagungen uns einem höheren Risiko aussetzen, bestimmte Krankheiten zu entwickeln als andere, aber Verwandte mit einer Krankheit zu haben, bedeutet noch nicht, dass Sie diese Krankheiten ebenfalls bekommen werden.
Warum ist es wichtig, sich der familiären Krankheitsgeschichte bewusst zu sein? Um welche Erkrankungen handelt es sich? Was sind die Hindernisse bei der Erstellung einer solchen Krankheitsgeschichte?
Warum ist es wichtig, sich seiner familiären Krankheitsgeschichte bewusst zu sein und welche Erkrankungen sind wichtig?
Als Teil unserer Umfrage haben wir unsere Mitglieder nach ihren Ansichten zur Bedeutung gefragt, die sie ihrer Krankengeschichte beimessen.
Es gibt viele Fälle, in denen die familiäre Krankheitsgeschichte uns einiges über unsere eigene Gesundheit verraten kann. Daher ist es hilfreich, Ihre familiäre Krankheitsgeschichte zu kennen, um die Menschen identifizieren zu können, die ein höheres Risiko haben, zu erkranken.
Fast die Hälfte aller Befragten haben offenbart, dass sie ein Familienmitglied mit derselben Krankheit haben.
Darüber hinaus haben bestimmte chronische Erkrankungen wie Herzerkrankungen, Bluthochdruck, bestimmte Krebsarten sowie Diabetes deutlich gemacht, wie wichtig die familiäre Krankheitsgeschichte ist. Diese Art von Informationen sollten dem medizinischen Personal mitgeteilt werden, da sie wahrscheinlich den Behandlungspfad und die diagnostischen Tests für einen Patienten bestimmen werden.
Im Fall von Herzkrankheiten und Diabetes wurde Vererbung als Risiko für Verwandte identifiziert, diese Krankheiten ebenfalls zu bekommen.
Um das Risiko von Herzkreislauferkrankungen einzuschätzen, nutzt das medizinische Personal systematisch die Familiengeschichte. Tatsächlich basiert das kardiovaskuläre Gesamtrisiko einer Person (individuelles Risiko, über 10 Jahre eine Herzerkrankung zu entwickeln) auf biologischen und klinischen Kriterien, aber ebenfalls auf der Familienanamnese: Zum Beispiel das frühe Auftreten von Herzkreislauferkrankungen bei Männern unter 55 and Frauen unter 65 erhöht dieses Risiko.
Bei der Diagnose von Diabetes Typ 2 erhöht ein Verwandter ersten Grades mit Diabetes das Risiko, selbst an der Krankheit zu erkranken.
Auch Krebserkrankungen haben die Bedeutung des familiären Hintergrunds, vor allem bezüglich des Alters beim Ausbruch des Krebses, hervorgehoben.
Brustkrebs
Brustkrebs ist eine Krebsart, bei der die familiäre Geschichte den Risikofaktor Nummer Eins darstellt. Tatsächlich treten 20 bis 30 % dieser Krebsarten bei Frauen mit Krebs in der Familienanamnese auf, insbesondere bei mehreren Fällen in der unmittelbaren Familie.
Eine Familiengeschichte von Brustkrebs wird wie folgt definiert:
- Eine Verwandte ersten Grades (Mutter, Tochter oder Schwester), die vor den Wechseljahren oder bis zum Alter von 50 Jahren Brustkrebs hatte (das Risiko für bilaterale Krebserkrankungen, d.h. in beiden Brüsten ist erhöht);
- Eine Verwandte, die Brust- sowie Eierstockkrebs (Mutter, Schwester, Tochter) oder mehrere Krebsarten hatte;
- Ein Mann in der Familie, der Brustkrebs hatte;
- Verwandte zweiten Grades (Großmutter, Tante oder Nichte) mit Krebs erhöhen das Risiko nur geringfügig.
Die Strategie zur Krebsvorsorge basiert teilweise auf der Anamnese, die Krankenversicherungen empfehlen eine spezifische Vorsorge für diese Frauen: jährliche MRT oder Mammographien vor dem 50. Lebensjahr (statt alle 3 Jahre ab dem 50. Lebensjahr für die Allgemeinheit) und die Möglichkeit von genetischen Untersuchungen, um festzustellen, ob genetische Mutationen (BRCA 1 und 2) vorhanden sind.
Trotzdem bleibt es schwierig, das Auftreten von Krebs nur mit der Familiengeschichte in Verbindung zu bringen. Es kann sich auch um Zufall handeln, das Vorhandensein eines gleichen Lebensstils oder gar eine Kombination dieser Faktoren.
Einige Erkrankungen erfordern ein genetisches Screening: Sichelzellenerkrankungen, Mukoviszidose oder Hämophilie sind beispielsweise genetische Erkrankungen, deren Übertragung vom Vorhandensein eines bestimmten Gens bei den Nachkommen abhängt. Es ist dann möglich, die Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, dass die Nachkommen Träger des fraglichen Gens sind und diese Krankheit entwickeln werden. Diese spezifischen Krankheiten sind Teil der familiären Krankheitsgeschichte, aber deren Übertragung ist im Wesentlichen durch die genetische Vererbung bedingt.
Was sind die Hindernisse bei der Erstellung einer familiären Krankheitsgeschichte?
Es gibt eine Reihe von Hindernissen bei der Art und Weise, wie familiäre medizinische Informationen gesammelt werden.
Im Rahmen unserer Umfrage war eine Frage den Hindernissen eines möglichen Screenings gewidmet. Hierbei ist erkennbar, dass die Mehrheit der Befragten angab, nicht zu wissen, dass in ihrer Familie eine Krankheit vorliegt.
In der Tat beinhaltet dieser Prozess medizinische Informationen, deren Weitergabe oft ein heikles Thema ist. Es ist wichtig, zu bedenken, dass die gesundheitlichen Daten eines Patienten in erster Linie diesem gehören. Ärzte und anderes medizinisches Personal unterliegen der Schweigepflicht und können nur vorschlagen oder versuchen, einen Patienten davon zu überzeugen, die Diagnose seinen Angehörigen mitzuteilen.
Es sollte noch darauf hingewiesen werden, dass die familiäre Krankheitsgeschichte nicht nur genetisch bedingt ist, sondern ebenfalls auf einem gemeinsamen Lebensstil, einer gemeinsamen Umgebung oder Aussetzung basiert. Nichtsdestotrotz sind dies wichtige Informationen, die dem medizinischen Team mitgeteilt werden sollten.
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