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Castleman-Krankheit: "Man kann damit leben und das auch dank unserer hervorragenden Medizin!"

Veröffentlicht am 26.01.2021 • Von Bianca Jung

Laus77, Mitglied bei Carenity, spricht mit uns über sein Leben mit der Castleman-Krankheit, Diagnose, Therapien und seine Zukunft.

Castleman-Krankheit:

Hallo Laus77,
erst einmal vielen Dank, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, uns an Ihrem Weg teilhaben zu lassen.

Könnten Sie uns zuerst mehr über sich erzählen?

Mein Name ist Werner, ich bin 43 Jahre alt und bin aufgrund meiner 2 Krebserkrankungen derzeit vorübergehend berufsunfähig. Ich wohne alleine mit meiner Golden Retriever Hündin "Bonnie".

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Ich habe einen Bruder, der im Nachbarort wohnt und mit seiner Frau einen Sohn hat. Meine Eltern sowie auch Großeltern sind leider schon alle verstorben. Ich habe aber einige Onkel und Tanten und auch sehr viele Cousins und Cousinen. Soviel zu meiner doch sehr großen Familie bzw. Verwandtschaft.

Etwas, das unsere Leser sicherlich interessieren wird: Wie wurde diese seltene Krankheit bei Ihnen diagnostiziert?

Mehr oder weniger durch Zufall. Nach einer Zahnoperation suchte ich eine HNO-Spezialistin auf, die mich nach einer Ultraschalluntersuchung, Verschreibung von Antibiotika und einer MR-Untersuchung ins Krankenhaus weiterschickte. Dort wurde mir eine Probe vom Lymphknoten am Hals entnommen, vier Tage darauf wurde dieser herausoperiert und dann histologisch untersucht. Daraus resultierte dann das Ergebnis: Morbus Castleman.

Welche Symptome hatten Sie?

Ich hatte nach besagter Zahn-OP nach drei bis vier Wochen noch immer geschwollene Lymphknoten links am Hals. Nach Rücksprache mit der Zahnärztin (die mir mitteilte, dass normalerweise nach zwei Wochen vom Zahn her alles wieder in Ordnung sein müsste) und einer lieben Kollegin, suchte ich dann die zuvor erwähnte HNO-Spezialistin auf.

Welche Behandlung erhielten/erhalten Sie?

Des Weiteren wurde dann eine Beckenkammbiopsie (sehr schmerzhaft, aber zum Glück negativ) und ein PET-CT gemacht. Da bin ich schon intern von der HNO-Abteilung auf die onkologische Abteilung überwiesen worden. Bei diesem wurde dann noch ein geschwollener Lymphknoten an der linken Leiste festgestellt. Auch der wurde in einer weiteren Operation (sehr schmerzhaft, bei vollem Bewusstsein) entfernt und histologisch untersucht.

Ergebnis: Multizentrisches Morbus Castleman!

In einigen Sitzungen des Tumorboards kam man dann auf die Behandlung mit dem Antikörper Siltuximab. Es wurde mir dabei aber mitgeteilt, dass die Krankenversicherung die Behandlung NICHT (!!) übernehmen würde! Ein Schock natürlich.

Zum Glück hatte ich in der Zwischenzeit, da diese Krankheit so selten war bzw. ist, eine Zweitmeinung bei einem Spezialisten in Wien privat eingeholt, den mir gute Freunde empfohlen haben. Dieser holte mich dann ins AKH nach Wien in eine Studie. Das war im Dezember 2015. Er meinte auch: Früher oder später wäre ich sowieso bei ihm gelandet, da er DER Spezialist auf diesem Gebiet (Hämatologie) wäre und er für alle seltenen Fälle wie dem Meinigen zuständig wäre.

Nach sechs Zyklen 2016 mit Siltuximab war ich dann 2017 in Remission. Bis 2018 ...

Sind Sie zufrieden mit dem Ablauf (Beratung, Diagnose, Behandlung) und den Informationen, die Sie über die Krankheit erhalten haben?

Ja, im Großen und Ganzen bin ich mit den Beratungen (auch im Landeskrankenhaus), der Diagnose und auch den Tumorboards sehr zufrieden. Natürlich hätte ich vom Ablauf her gleich ins AKH Wien gehen sollen, aber durch eine frühere Behandlung hatte ich eine sehr große Abneigung gegen dieses Krankenhaus entwickelt und vertraute daher auch auf die Ärzte in meinem Bundesland.

Natürlich wurde mir die Krankheit auch genauestens erklärt, aber als Laie versteht man sowieso meist nur „Bahnhof“. Ich musste mich da erst selbst wirklich hineinlesen und es genau studieren, bis ich mich mal so halbwegs auskannte. So richtig kenne ich mich, glaub ich, noch immer nicht aus. Am Anfang schiebt man das ja alles eher von sich weg und möchte damit gar nichts am Hut haben. Das kommt dann erst mit der Zeit, von Behandlung zu Behandlung. Ich versuchte auch, mich darüber im Internet schlau zu machen, aber da war nicht wirklich was zu finden. Ist ja auch sehr, sehr selten.

Wie hat sich Ihr Leben durch die Krankheit verändert?

Anfangs 2015 bei der Erstdiagnose hat es sich nicht wirklich viel verändert, da bin ich nach den Therapien immer noch weiter arbeiten gegangen. Müde und erledigt ist ja nach der Arbeit normal, dachte ich zumindest. 2017 war ich ja dann auch in Remission. Aber ich denke, die sehr stressige Arbeit war sicher mitschuld, dass das Castleman zurückgekommen ist und zusätzlich noch Leukämie (Plasmozytom/Blutkrebs) dazu.

Und 2018 nach der Operation hab ich dann mehr auf meinen Körper gehört und es war mir auch nicht möglich arbeiten zu gehen. Chemotherapie und Immuntherapie schwächten mich schon sehr, auch wenn man mir das nicht ansah. Da arbeitet der Körper ja auf Hochtouren wie bei einem Leistungssportler, was ja viele nicht wissen. Und das war auch ein Zeichen mehr auf mich zu achten und, da sich an meiner Arbeit auch trotz Gesprächen mit der Führung nichts geändert hätte, konnte ich diese in dem Ausmaß natürlich nicht mehr bewältigen. Das war denen aber herzlich egal und anscheinend neideten mir einige Kolleginnen auch den Krankenstand und, dass ich viel Sport machen und wandern gehen muss und musste. Und bei mir war ja auch noch eine Stammzellentherapie mit Eigenstammzellen geplant und nach einem Jahr wurde daher mein Arbeitsvertrag von Seiten des Oberlandesgerichtes aufgelöst. Zwar nicht auf die feine englische Art, da sie mir den Rsb-Brief direkt ins Krankenhaus zustellten und dadurch auch mein Leben gefährdeten, in dem der Postbote den Brief persönlich zustellen musste, aber das ist eine andere Geschichte. Da kam es dann auch mehr oder weniger zum Bruch mit erwähnten Arbeitskolleginnen und der Führung. Die hatten bzw. haben leider null Ahnung von Krebs und das ist halt traurig, wenn man auf Menschen, die eh schon am Boden liegen, noch drauftritt. Traurig aber wahr.

Natürlich änderte sich durch die Krankheit die Struktur des Tages, ich schlafe sehr viel, da mich die Fatigue voll im Griff hat. Durch Corona wurden sämtliche Behandlungen vom AKH Wien bis auf weiteres eingestellt und ich probiere daher viel zu Hause zu machen und hab mir sogar ein sehr teures Hochtontherapiegerät für zu Hause gekauft, um meine Behandlungen zu forcieren.

Viele Freunde und Menschen meiden einen wie einen Aussätzigen auch, weil sie einfach zu wenig über Krebs wissen und das mit dem Tod gleichstellen. Daher versuche ich auch über meine Facebookseite „Werner Achs – Leben mit seltenem Krebs“ darüber aufzuklären. Über meine Behandlungen zu schreiben, über den Krankenhausalltag zu erzählen und, was es sonst so über meine Krankheiten zu berichten gibt.

Man kann mit Krebs leben, es bedeutet nicht gleich das Lebensende. Wobei mir schon durchaus bewusst ist, dass ich früher oder später, auch wenn ich derzeit wieder in Remission bin, dadurch sterben werde. Blutkrebs ist ja bis dato unheilbar (O-Ton meiner Professorin in einem Befund) und die Castleman-Krankheit wird auch immer wiederkehren. Aber ich halte mich halt so gut es geht an Carpe diem und versuche das Leben auf meine Art, egal wie lange es dauert, zu genießen und das zu machen, was ich will. Auch wenn mich manche Nebenwirkungen wie Polyneuropathie dabei einschränken. Ich mache einfach das Beste daraus! Und das sollte Jede/r machen der an Krebs erkrankt! Nicht gleich ans Sterben denken! Einfach das Beste daraus machen! Niemand ist schuld, an so etwas zu erkranken! Einfach Pech oder Schicksal oder was auch immer. Man kann damit leben und das auch dank unserer hervorragenden Medizin!

Im Vorfeld haben Sie mir von einem Rückfall berichtet, könnten Sie darüber noch etwas mehr sagen?

Also ich war 2016 nach sechs Zyklen mit Siltuximab 2017 dann in Remission und im Frühjahr 2018 bemerkte ich ein Stechen in der rechten Brust. Ich teilte das auch meinen Ärzten in der Reha und im AKH mit, Aufschluss konnte uns aber nur ein PET-CT im Juni 2018 geben. Da wurde erkannt, dass im Brustbereich wieder ein Tumor aktiv war. Eine Punktation erbrachte kein Ergebnis, daher Operation.

Bei dieser Operation im August 2018 stellte sich dann heraus, dass ein Lymphknoten bereits die dritte Rippe rechts angegriffen hatte und nach der histologischen Untersuchung dieser zwei herausoperierten Lymphknoten kam es dann zum folgenden Befund:

Morbus Castleman wieder retour und zusätzlich ein Plasmozytom (Leukämie/Blutkrebs). Doppeljackpot im negativen Sinne! Halleluja und Amen! Also doppelt so schlecht! 

Sofort wurde wieder mit der Immuntherapie (mit Siltuximab) gegen das Morbus Castleman und gleichzeitig mit einer Chemotherapie gegen den Blutkrebs begonnen. Jeden Monat, Monat für Monat. Zeitweise am Anfang sogar jede Woche. Die Chemotherapie habe ich nicht wirklich gut vertragen, da wechselten wir zweimal, ehe wir auch da auf Immuntherapie umstellen konnten. Diese vertrug ich dann besser. So nebenbei bekam ich ab Oktober 2018 auch 18 Mal (18 Tage hintereinander, ausgenommen Wochenende) eine Strahlentherapie im Bereich der dritten Rippe rechts. Und beim Blutkrebs zielte dann alles auf eine Stammzellentransplantation mit Eigenstammzellen am 29. Juli 2019 hin. Je ein bis zwei Tage davor bekam ich noch eine Hochdosischemotherapie. Bei der Transplantation musste ich 21 Tage lang stationär abgeschirmt auf einer eigenen sterilen Abteilung im AKH Wien bleiben. Da durfte ich nicht mal das Zimmer verlassen! Das war schrecklich! daher ist Corona derzeit für mich nicht mal der Rede wert. Es ging mir in den ersten Tagen nicht sehr gut. Es wurde aber von Tag zu Tag besser. Und nach dieser Transplantation gingen dann auch wieder meine Immuntherapien weiter. Drei Zyklen (also drei Monate noch gegen den Blutkrebs) und gegen das Morbus Castleman mache ich die Therapie mit Siltuximab noch immer. Voraussichtlich mal bis April 2021. Mal schauen, wie es dann weitergeht.

Wie geht es Ihnen heute? Und was haben Sie sich für Ihre Zukunft vorgenommen?

Derzeit, muss ich Gott sei Dank sagen, bin ich laut meiner super Professorin (gehört auch mal erwähnt) in einem Zustand, der einer Remission am Ähnlichsten kommt. Also kein Tumor erkennbar. Laut ihrem Befund sind beim Morbus Castleman aber immer wieder Rezidive möglch und das Plasmazellmyelom ist an sich eine bis heute unheilbare Erkrankung. Auch hier sind immer wieder Rezidive zu erwarten, sodass weitere systemische Therapien notwendig sein werden.

Leider habe ich noch immer mit den Folgen bzw. Nebenwirkungen der Chemotherapie zu kämpfen: Polyneuropathie (Brennen und Stechen in den Füßen, Fußtaubheit) und Fatigue (Erschöpfungssyndrom). Das macht mir am meisten zu schaffen. Das versuche ich durch Sport und Bewegung auszugleichen. Oder durch verschiedene Therapien (Hochtontherapie, Physiotherapie, Massagen, usw...). Wobei mir die Bewegung in der Natur am besten dabei hilft.

Ansonsten muss man halt zufrieden sein, wie es ist. Es gibt ja genug Menschen (die ich oft im AKH sehe), denen geht es weit schlimmer als mir, daher beschwere ich mich auch nicht.

Für die Zukunft hab ich mir eigentlich nicht wirklich viel vorgenommen. Leben für den Moment ist da am ehesten meine Devise. Das Leben einfach genießen, wie es sich eben gerade bietet. Durch Corona sind wir ja doch wieder sehr weit eingeschränkt und ich denke, dass sich das in naher Zukunft auch nicht so schnell ändern wird und daher genieße ich den oder die Augenblick/e.

Und noch eine letzte Frage: Welchen Ratschlag möchten Sie anderen Menschen geben, die diese Krankheit hatten oder haben?

Vertrauen Sie auf Ihre Ärzte, auf Ihre Intuition und auf Gott. In der Reihenfolge. Es ist ganz bestimmt kein Todesurteil (wie das Vorurteil bei Krebs ja so ist), man kann damit leben. Zwar eingeschränkt und nicht mehr wie bisher, aber es geht.

Ich habe genug Ratschläge (Hanf, Misteltherapie, ...) bekommen und natürlich hat sich mein Leben dadurch verändert, aber ich hatte immer Vertrauen in meine Professoren vom AKH Wien und bin damit wirklich sehr gut gefahren. Natürlich muss man auch auf sich selbst hören und der Glaube an Gott und beten schadet sicher auch nicht. Ich habe immer gewusst, wenn Gott noch etwas mit mir vorhat, dann lässt er mich nicht so einfach sterben. Und ja, das hatte er. Ich schreibe über Krebs.

Und nach 6 Jahren aufwendiger, teils auch sehr schmerzhafter, Operationen und Therapien halte ich es wie Falco: Verdammt, ich lebe noch!

Wer mehr über Laus77 und seinen Weg erfahren möchte, kann ihn hier online begleiten:

War diese Patientengeschichte für Sie hilfreich?
Gerne können Sie Ihre Gedanken und Fragen in den untenstehenden Kommentaren mitteilen!

Alles Gute!


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Autor: Bianca Jung, Gesundheitsredakteurin

Bianca ist spezialisiert auf das Betreuen von Online-Patienten-Communities. Ihr besonderes Interesse gilt den Bereichen Psychologie, Frauengesundheit und Ernährung.

Bianca hat einen Bachelor in... >> Mehr erfahren

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