Gut schlafen auf natürliche Weise: Was Sie für Ihren Melatoninspiegel tun können
Veröffentlicht am 27.12.2025 • Von Bianca Jung
Viele Menschen mit chronischen Erkrankungen kennen das: Man ist erschöpft und kann trotzdem nicht gut schlafen. Statt ausgeruht aufzuwachen, beginnt der nächste Tag schon mit Müdigkeit. Ein wichtiger Baustein für erholsamen Schlaf ist das Hormon Melatonin.
In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie Ihre körpereigene Melatoninproduktion auf natürliche Weise unterstützen können und wo die Grenzen von Hausmitteln und Nahrungsergänzung liegen.
Was ist Melatonin und warum ist es so wichtig für den Schlaf?
Melatonin wird vor allem in der Zirbeldrüse im Gehirn gebildet, vor allem dann, wenn es dunkel wird. Es ist so etwas wie das Startsignal für die Nacht: Steigt der Melatoninspiegel am Abend, werden wir müde, der Körper stellt auf Ruhe und Regeneration um. Bei Licht, besonders bei hellem sowie blauem, wird die Produktion gedrosselt.
Kurz gesagt:
- Dunkelheit = mehr Melatonin = besser einschlafen
- Helles Licht (Zimmerbeleuchtung, Bildschirme) = weniger Melatonin = später müde
Wenn dieser Rhythmus durch Lebensstil, Licht, Stress oder Medikamente gestört ist, kann das zu Ein- und Durchschlafstörungen führen. Doch es gibt ein paar natürliche Möglichkeiten, den Melatoninspiegel zu erhöhen.
Lebensstil & Schlafhygiene: Basis für einen gesunden Melatoninrhythmus
Licht: Freund am Tag, Gegner am Abend
Licht ist der stärkste Taktgeber für unsere innere Uhr. Aus diesem Grund sollte man auch genau darauf achten, tagsüber möglichst viel Tageslicht zu genießen. Am besten eignet sich ein täglicher Spaziergang oder im Hellen zu sitzen. Das stabilisiert den Tag-Nacht-Rhythmus und sorgt dafür, dass das Melatonin abends zuverlässig ansteigt.
Abends und nachts sollte dann das Gegenteil geschehen:
- Ab etwa 2 bis 3 Stunden vor dem Schlafen grelles Licht meiden
- Lampen dimmen, Warmton-Licht nutzen, indirekte Beleuchtung bevorzugen
- Bildschirmzeit reduzieren oder Blaulichtfilter / Night-Mode an Smartphone, Tablet, PC aktivieren
- Schlafzimmer möglichst abdunkeln (Rollos, Vorhänge, Schlafmaske)
Studien zeigen, dass bereits normales Raumlicht am späten Abend die Melatoninproduktion deutlich reduzieren und verkürzen kann. Dies macht das Einschlafen schwerer und den Schlaf flacher.
Regelmäßiger Schlafrhythmus
Regelmäßigkeit gibt dem Körper Sicherheit und die Melatonin-Ausschüttung kann sich daran orientieren. Von daher sollte man möglichst jeden Tag zur gleichen Zeit ins Bett gehen und aufstehen (auch am Wochenende, soweit es geht).
Ein wiederkehrendes Abendritual hilft dem Körper zudem beim Umschalten: zum Beispiel Lesen bei gedimmtem Licht, eine warme Dusche, sanfte Dehnübungen oder eine kurze Entspannungsübung.
Bewegung: Gut, aber zur richtigen Zeit
Regelmäßige, moderate Bewegung am Tag senkt Stresshormone, verbessert die Schlafqualität und kann den nächtlichen Melatoninspiegel erhöhen.
Wichtig ist jedoch das Timing:
- Ideal ist tagsüber oder am frühen Abend
- Schlechter ist intensiven Sport kurz vor dem Schlafengehen zu treiben, der Körper bleibt „aufgedreht“ und der Melatoninspiegel steigt verspätet an.
Stimulanzien & Abendgewohnheiten
Bestimmte Stoffe wirken wie Gegenspieler von Melatonin:
Aus diesem Grund sollte man abends auf Koffein, Nikotin oder einen Schlummertrunk verzichten.
Auch schwere Mahlzeiten am Abend oder direkt vor dem Schlafengehen können sich negativ auswirken. Wenn der Hunger zu groß ist, sollten Sie nur einen kleinen, leichten Snack zu sich nehmen.
Ernährung: Melatonin in Lebensmitteln kann den Schlaf unterstützen
Manche Lebensmittel enthalten kleine Mengen an Melatonin, zum Beispiel
- Milchprodukte, Eier, Fisch, Fleisch
- Trauben, Kirschen (besonders Sauerkirschen), Beeren, Kiwi, Tomaten, Paprika, Pilze, Nüsse, Oliven(öl)
Forschungsarbeiten deuten darauf hin, dass vor allem Sauerkirschsaft und nachts gemolkene Milch (oft als Nachtmilch bezeichnet) die Schlafqualität leicht verbessern können, die Datenlage hierzu ist aber noch begrenzt.
Die Mengen an Melatonin in diesen Lebensmitteln sind jedoch relativ klein. Dies bedeutet, dass Lebensmittel den Schlaf zwar unterstützen können, aber keine gute Schlafhygiene ersetzen.
Tryptophan & Co.: Bausteine für Melatonin
Melatonin wird im Körper aus Serotonin gebildet und Serotonin wiederum aus der Aminosäure Tryptophan, zusammen mit Magnesium und B-Vitaminen als Cofaktoren.
Gute Tryptophan-Quellen sind unter anderem:
- Tierisch - Geflügel (zum Beispiel Putenbrust), Kalbfleisch, Thunfisch, Eier, Milchprodukte
- Pflanzlich - Nüsse (Cashews, Mandeln), Sonnenblumenkerne, Hülsenfrüchte, Grünkohl, Bananen
Bananen liefern zusätzlich noch Magnesium, das entspannend wirkt. Auch Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte sowie dunkelgrünes Gemüse sind gute Mineralstoff- und Vitaminquellen.
Isoliertes Tryptophan als Nahrungsergänzungsmittel zeigte in Studien keine einheitlich überzeugende Wirkung auf den Schlaf und war in der Vergangenheit teilweise mit schweren Nebenwirkungen, wie das Eosinophilie-Myalgie-Syndrom, verbunden. Daher wird empfohlen, Tryptophan lieber über natürliche Lebensmittel aufzunehmen.
Melatonin, Magnesium & Co. als Nahrungsergänzung: Chancen und Risiken
Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel
Tabletten, Sprays oder Gummibärchen mit Melatonin werden aktuell als sanfte Einschlafhilfe beworben. Studien zeigen, dass niedrig dosiertes Melatonin bei bestimmten Schlafproblemen (zum Beispiel Jetlag, Schichtarbeit) die Einschlafzeit mäßig verkürzt, im Schnitt um wenige Minuten. Aber Melatonin ist ein Hormon, kein Vitamin und die Einnahme als Nahrungsergänzungsmittel kann zu Nebenwirkungen führen.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt ausdrücklich vor einer unkritischen, längerfristigen Einnahme frei verkäuflicher Melatoninprodukte, insbesondere für Kinder und Jugendliche, Schwangere, Stillende und Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen.
Melatoninpräparate können in ärztlicher Begleitung kurzfristig sinnvoll sein. Zur dauerhaften Selbstmedikation sind sie nicht gedacht. Bei chronischen Schlafstörungen gehört die Behandlung in ärztliche Hand.
Magnesium und andere Nährstoffe
Magnesium unterstützt die Entspannung der Muskulatur und ist an der Umwandlung von Tryptophan zu Serotonin und Melatonin beteiligt. Ein Mangel kann den Schlaf verschlechtern; bei älteren Menschen verbesserte eine Magnesiumgabe in einer Studie Einschlafzeit und Schlafqualität.
Auch Zink, Calcium, Vitamin D und B-Vitamine sind in die Schlafregulation involviert, doch die Studienlage zu Supplementen ist uneinheitlich.
Sinnvoll ist in der Regel:
- zuerst über die Ernährung auf eine gute Versorgung achten
- nur bei nachgewiesenem Mangel oder besonderem Bedarf über eine ergänzende Zufuhr nachdenken, am besten nach Absprache mit seinem Arzt oder seiner Ärztin
Pflanzliche Schlafmittel
Traditionell werden unter anderem Baldrian, Hopfen, Melisse, Passionsblume und Kamille verwendet.
- Für viele dieser Pflanzen ist die Evidenz begrenzt, besonders für Baldrian und Kamille ist der Nutzen bei Insomnie wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
- Etwas besser untersucht ist Lavendelöl: Systematische Arbeiten und Meta-Analysen deuten darauf hin, dass Lavendelduft Schlafprobleme und Angstgefühle reduzieren kann.
- Vorsicht ist bei Kava-Kava (Rauschpfeffer) geboten. Es wurden schwere Leberschäden beschrieben und von einer eigenmächtigen Einnahme wird abgeraten. In Deutschland ist der Verkauf verboten.
Natürlich bedeutet nicht automatisch ungefährlich. Bei regelmäßiger Einnahme pflanzlicher Präparate sollten Wechselwirkungen mit Medikamenten ärztlich oder in der Apotheke abgeklärt werden.
Ganzheitliche Ansätze: Stress senken, Melatonin stärken
Entspannende Aktivitäten
Stresshormone wie Cortisol wirken als Gegenspieler von Melatonin. Ist der Kopf voller Gedanken und der Körper im Alarmmodus, hat es das Schlafhormon schwer.
Hilfreich können sein:
- Achtsamkeitsübungen
- Ruhige Atemübungen
- Meditation
- Sanftes Yoga
- Progressive Muskelentspannung oder
- Autogenes Training
Wichtiger als die perfekte Methode ist, etwas zu finden, das zu Ihnen passt, und es regelmäßig zu wiederholen.
Aromatherapie & Schlafumgebung
Ein ruhiges, sicheres Schlafumfeld unterstützt die Melatoninwirkung:
- Dunkles, ruhiges, eher kühles Schlafzimmer (ca. 18 °C)
- Eine bequeme Matratze, angenehme Bettwäsche
- Und möglichst wenig Lärm, ggf. Ohrstöpsel oder leises „weißes Rauschen“
Lavendelöl kann als Ergänzung ausprobiert werden, zum Beispiel mit ein paar Tropfen auf einem Taschentuch oder Duftkissen, Lavendelspray auf dem Kopfkissen oder einem Diffusor im Schlafzimmer.
Wann sollten Sie zum Arzt gehen?
Natürliche Maßnahmen können viel bewirken, aber sie ersetzen keine medizinische Abklärung. Gehen Sie zum Arzt, wenn …
- Sie länger als 3 bis 4 Wochen fast jede Nacht schlecht schlafen
- Sie tagsüber stark müde, unkonzentriert oder gereizt sind
- Sie vermuten, dass eine Schlafapnoe, Restless-Legs-Syndrom, Depressionen oder eine andere Erkrankung hinter Ihren Schlafproblemen steckt
- Sie regelmäßig Schlaf- oder Beruhigungsmittel (auch pflanzlicher Art) einnehmen, um überhaupt schlafen zu können
Gerade wenn Sie zusätzlich eine chronische Grunderkrankung haben (zum Beispiel Schmerzen, neurologische oder hormonelle Erkrankungen), kann ein auf Schlafmedizin spezialisierter Arzt helfen, einen passenden Therapieplan zu finden.
Fazit: Kleine Schritte, große Wirkung
Um den Melatoninspiegel auf natürliche Weise zu unterstützen, braucht es selten spektakuläre Maßnahmen, sondern konsequente, oft unspektakuläre Schritte:
- Licht klug nutzen: hell am Tag, gedämpft am Abend, dunkel in der Nacht
- Regelmäßiger Schlafrhythmus und entspannende Abendrituale
- Bewegung am Tag, abends kein Koffein, Nikotin und Alkohol
- Eine ausgewogene, tryptophan- und nährstoffreiche Ernährung statt hochdosierter Einzelpräparate
- Bewusster Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln, besonders Melatonin
- Stressreduktion, Entspannung und eine schlaffreundliche Umgebung als tägliche Einladung an den Körper, Melatonin auszuschütten
Vielleicht können Sie nicht alles auf einmal umsetzen. Aber schon ein oder zwei Veränderungen, etwa abends Licht reduzieren und eine kurze Entspannungsübung einführen, können ein guter Anfang sein.
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Quellen:
Melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel: BfR weist auf mögliche Gesundheitsrisiken hin, Bundesinstitut für Risikobewertung
Aromatherapie gegen Schlafprobleme, Deutsches Gesundheitsportal
Gibt es Hausmittel und Lebensmittel, die beim Einschlafen helfen?, AOK Gesundheitsmagazin
Schlaffördernde Lebensmittel mit Melatonin, Onmeda
Room light before bedtime may impact sleep quality, blood pressure and diabetes risk, Science Daily
Wie Melatonin im Körper entsteht – und wofür es benötigt wird, Apotheken Umschau
The impact of exercise on sleep and sleep disorders, npj Biological timing and sleep
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