Alle Informationen über Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Erkrankung, die das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betrifft.

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Multiple Sklerose: Alles, was Sie wissen müssen!

Was ist Multiple Sklerose?

Definition

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronische, degenerative und entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (Entzündung im Zusammenhang mit einer Immunstörung).
Seine klinischen Erscheinungsformen stehen in Bezug zur Demyelinisierung von Nervenfasern im Gehirn, Rückenmark und Sehnerv.
Seine Ursachen sind weiterhin unbekannt; Theorien deuten auf eine genetische Veranlagung (dies bedeutet nicht, dass die Krankheit erblich ist), infektiöse und umweltbedingte Faktoren hin.
Über 120.000 Menschen leiden in Deutschland an MS, Frauen sind achtmal so häufig betroffen wie Männer. Neben Verkehrsunfällen ist sie die häufigste Ursache für Behinderungen bei jungen Menschen.

Das Axon ist ein faseriger Fortsatz des Neurons, der Nervenimpulse weiterleitet. Seine Schutzhülle, das Myelin, erlaubt eine schnellere Übertragung von Informationen an das Gehirn. Im Fall der Multiplen Sklerose wird diese Hülle nach und nach zerstört, wodurch die Übertragung von Nervenimpulsen verändert wird, was das Auftreten von verschiedenen Symptomen mit sich bringt.

Wenn das Myelin durch das Immunsystem verändert wird, erfolgt ein Entzündungsprozess. Diese Demyelinisierung kann letztlich viele neurologische Bereiche betreffen, was die Vielfalt der Symptome erklärt. Jedoch werden auch Reparaturprozesse in Gang gesetzt: Dies ist die Remyelinisierung. Diese zeigt sich durch eine Verbesserung der Funktionen der betroffenen Neuronen, was die klinische Erholung nach einigen Schüben erklärt. Sind dagegen die Regenerationskapazitäten des Myelin zu stark beeinträchtigt, kann die Funktion der Neuronen mehr oder weniger langfristig gestört bleiben.

Das Phänomen der Demyelinisierung, in Form von Plaques, führt zu einem Entzündungsschub, der zu einem Schub führt, d.h. zu einer Periode des Wiederauftretens der Symptome oder der neurologischen Anzeichen, die von einigen Tagen bis zu zwei oder drei Wochen dauern können, bevor sie wieder allmählich verschwinden. Diese Schübe können mit einer variablen Häufigkeit auftreten: Von mehreren Episoden pro Jahr bis zu einigen Episoden im Abstand mehrerer Jahre.

Diese MS-„Plaques“ befinden sich im Gehirn oder Rückenmark. Es handelt sich dabei um Zonen, die in einem MRT erkennbar sind und Läsionen darstellen, die aus einer Entzündung und Remyelinisierung resultieren.

MS ist keine tödlich verlaufende Krankheit, jedoch ist die Lebenserwartung von MS-Patienten im Durchschnitt ohne Behandlung 6 bis 7 Jahre kürzer (die Basistherapie normalisiert die Lebenserwartung). Diese Statistik schließt schwere Formen mit ein, bei denen die Krankheit sehr aggressiv ist und sehr schnell fortschreitet, während die Mehrheit der Patienten eine Lebenserwartung hat, die der Allgemeinbevölkerung entspricht.

Die verschiedenen Formen der Multiplen Sklerose

Wenn eine Erkrankung mit MS auftritt, kann sie zwei verschiedene Anfangsformen annehmen:

  • Schleichend: MS verläuft in aufeinanderfolgenden Schüben ohne signifikantes Fortschreiten der Krankheit. Bei dieser Form der Multiplen Sklerose, schubförmig-remittierend (RRMS) genannt, schreitet die Krankheit in einem rezidivierenden Verlauf (abwechselnd Schübe und Ruhephasen) ohne Nachwirkungen zwischen 10 und 15 Jahren fort. Danach kann die Multiple Sklerose zu einer progredienten Form der Krankheit* übergehen. RRMS beginnt in der Regel zwischen 25 und 35 Jahren und macht zum Zeitpunkt der Diagnose 85% der Fälle aus.
  • Progressiv: Diese Form der MS, die normalerweise nach dem 40. Lebensjahr auftritt, führt zu einer langsamen und kontinuierlichen Verschlechterung der neurologischen Symptome über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten ohne Schub

Die primär-progrediente Multiple Sklerose (PPMS) beginnt bei der Diagnose mit einer regelmäßigen Verschlechterung der Symptome, normalerweise ohne eindeutigen Schub oder Remissionsphase. Es handelt sich um eine behindernde Form der Erkrankung, die normalerweise nach dem 40. Lebensjahr auftritt. PPMS beeinträchtigt den Erkrankten in der Regel stärker als RRMS. Das Auftreten irreversibler Behinderungen ist bei PPMS doppelt so hoch wie bei RRMS. Diese Form macht zum Zeitpunkt der Diagnose 15% der Fälle aus.

  • Die sekundär progrediente Multiple Sklerose (SPMS) tritt bei Patienten auf, die zu Beginn an einer schubförmig-remittierenden Form litten, die sich durch Schübe kennzeichnen (RRMS). Nach etwa einem Jahrzehnt kann sich RRMS zu SPMS entwickeln (vor allem, wenn diese unbehandelt bleibt): Die Schübe werden seltener und die Symptome verschlechtern sich kontinuierlich.

Der Verlauf von MS

Trotz allem bleibt jeder Patient ein Einzelfall mit einer eigenen Ausprägung sowie der Entwicklung der Erkrankung. Während statistisch gesehen 50% der Patienten nach 17 Jahren Entwicklungszeit teilweise auf ihr Umfeld angewiesen sind, führt die Krankheit in weniger als 5% der Fälle zu einer schweren Behinderung. Der Charcot-Stiftung zufolge könne der Grad der Behinderung fünf Jahre nach Auftauchen der ersten Symptome sogar die Entwicklung von MS auf langfristige Sicht vorhersagen. Tatsächlich sind 70% der Patienten, die in diesem Stadium komplett autonom sind, es nach 15 Jahren auch noch geblieben und 40% unter ihnen nach 20 Jahren.

Die Expanded Disability Status Scale (EDSS) ist ein Bewertungssystem, das es erlaubt, den Status und die Entwicklung von MS sowie den Grad der Behinderung zu beurteilen. Einmal im Jahr beurteilt der Neurologe verschiedene Funktionen:

  • Pyramidal (Gehen mit oder ohne Hilfe)
  • Hirnstamm (Schlucken, Sprechen, etc.)
  • Zerebellar (Bewegungskoordination, Gleichgewicht)
  • Sensibilität (Berührungs-, Wärme- und Kälteempfindlichkeit)
  • Visuell
  • Sphinkter (Harn- oder/und Darmkontinenz)
  • Mental (Gedächtnis-, Stimmungsstörungen, etc.)

Der EDSS-Score wird auf einer Skala von 0 bis 10 gemessen und steigt um einen halben Punkt an, in Abhängigkeit zur Anzahl der betroffenen Funktionen und dem Schweregrad der Behinderung. Er kann zur Beantragung der Anerkennung einer Behinderung verwendet werden.

Symptome der Multiplen Sklerose

Ab dem Beginn der Erkrankung können verschiedene Symptome auftreten.

  • Motorische Störungen: Schwierigkeiten, bestimmte Bewegungen auszuführen, kompletter Verlust der Beweglichkeit
  • Empfindungsstörungen: Kribbeln, brennendes Gefühl oder Taubheit
  • Störungen des Kleinhirns: Verlust des Gleichgewichts oder unsicheres Gehen
  • Sehstörungen: plötzlicher Abfall des ein- oder beidseitigen Sehvermögens (Optikusneuritis)
  • Fatigue: plötzliche Müdigkeit oder Erschöpfungsgefühl
  • Beeinträchtigung der kognitiven Funktionen und Persönlichkeitsstörungen

Diese Symptome entwickeln sich während Schüben weiter. Einige Störungen sind nur von sehr kurzer Dauer und verschwinden innerhalb weniger Stunden oder einiger Tage:

  • Lhermitte-Zeichen: Gefühl einer elektrischen Entladung, die Wirbelsäule und Beine durchläuft, wenn die Halswirbelsäule gebeugt wird
  • Transversale Myelitis: Kompletter Verlust der Sensibilität und Motorik in den unteren Gliedmaßen sowie Lähmung von Darm und Blase
  • Useless-Hand-Syndrom: Verlust des Lagesinns und Unfähigkeit, diesen richtig zu benutzen
  • Spastik: Steifheit, Spasmen und Klonus der Gliedmaßen
  • Tendino-muskuläre sowie chronische Schmerzen
  • Störungen im Bereich des Kopfes: ruckartige Augenbewegungen, schlecht artikulierte und explosive Sprache, Trigeminusneuralgie, Gesichtslähmung, Schluckbeschweren (nur bei schwersten Formen der Erkrankung)
  • Blasenentleerungsstörungen: Harndrang, Inkontinenz oder im Gegenteil Blasenverhalt
  • Darmbeschwerden, Sexualstörungen
  • Psychische Störungen: vorübergehende Stimmungsschwankungen, Instabilität, Angstzustände, Depression, affektive Störungen
  • Störungen der intellektuellen Funktionen: Aufmerksamkeitsstörungen, Festgedächtnisstörungen sowie Störungen der Psychomotorik

Ursachen und Risikofaktoren für Multiple Sklerose

Die genauen Ursachen der Multiplen Sklerose sind nicht bekannt. Einige Gene, die an der Immunität beteiligt sind, könnten einen Faktor für eine Veranlagung zu dieser Krankheit darstellen. Das Vorhandensein dieser Gene reicht jedoch nicht aus, um MS zu entwickeln. Es handelt sich somit nicht um eine genetische Erkrankung im „klassischen“ Sinne, da nicht nur ein einzelnes Gen für das Auftreten verantwortlich ist.

Multiple Sklerose tritt jedoch häufiger bei Menschen auf, die nordeuropäischer Abstammung sind. Es wurden auch genetische Faktoren identifiziert, die für MS präsdisponieren. So haben Studien ergeben, dass in Frankreich das Risiko für eine Person, die einen Bruder oder reine Schwester mit Multipler Sklerose hat, bei 1 zu 50 liegt, an der Krankheit zu erkranken (im Vergleich zu einem Risiko von 1 zu 900 bei der Allgemeinbevölkerung). Dennoch ist Multiple Sklerose keine Erbkrankheit: Für ein Kind, bei dem ein Elternteil betroffen ist, liegt das Risiko, an Multipler Sklerose zu erkranken, sehr nahe bei dem eines Kindes, dessen beide Elternteile nicht erkrankt sind.

Zudem tritt MS bei Frauen ungefähr zwei- bis dreimal häufiger auf als bei Männern, was vermuten lasst, dass Hormone (oder bestimmte Gene auf den Geschlechtschromosomen) eine direkte oder auch indirekte Rolle bei der Veranlagung für die Krankheit spielen könnten.

Einige Umweltfaktoren könnten auch eine Ursache sein: wenig Sonne, was zu einer Abnahme der Vitamin D-Synthese führt (was aber momentan in Frage gestellt wird), Rauchen, Übergewicht in der Jugend, Umweltverschmutzung oder auch eine Infektion mit bestimmten Viren wie Herpes, Masern, Röteln oder dem Epstein-Barr-Virus, was unter anderem für die infektiöse Mononukleose verantwortlich ist.

Zu beachten gilt, dass große epidemiologische Studien zum Hepatitis B-Impfstoff durchgeführt wurden und kein kausaler Zusammenhang mit dem Auftreten von MS nachgewiesen werden konnte.

Der Ursprung von MS stammt von multiplen Faktoren ab und resultiert aus einem Zusammenspiel von Genen und Umwelt.

Diagnose der Multiplen Sklerose

Die Vielfalt der Symptome und das Phänomen der Schübe können die Diagnose erschweren. In der Regel braucht es zwei oder mehr Schübe, mit mindestens einer partiellen Remission, um die Diagnose zu bestätigen. Der Neurologe muss ebenfalls nachgewiesen haben, dass die Myelinschädigung (die an mindestens zwei verschiedenen Stellen aufgetreten ist) nicht die Folge anderer Krankheiten ist.

Ein interdisziplinäres Team muss ein Workup durchführen, um die Diagnose zu bestätigen:

  • Eine neurologische Untersuchung zur Beurteilung des Muskeltonus, der Reflexe, der sensorischen Funktionen, des Gleichgewichts und der Fähigkeit, sich fortzubewegen
  • Ein MRT zur Visualisierung der Läsionen in der weißen Substanz (die Myelin enthält) des Gehirns, des Kleinhirns und des Rückenmarks
  • Einen Fundus bei einer augenärztlichen Untersuchung
  • Gegebenenfalls eine Lumbalpunktion zur Liquoranalyse

Wenn die Diagnose bestätigt ist, können weitere Tests verschrieben werden, bevor mit der Behandlung begonnen wird: Bluttests, EKG (Elektrokardiogramm), Herz-Doppler-Echo, Röntgenaufnahme der Lunge, etc.

Fehldiagnosen

Das Fehlen eines spezifischen Tests zur Erkennung von Multipler Sklerose führt tendenziell zu einer Verzögerung der Diagnose sowie manchmal zu Verwechslungen mit anderen Erkrankungen. Einer von zwanzig Patienten mit Verdacht auf MS leidet in Wirklichkeit an einer anderen Erkrankung. Man findet im Allgemeinen zwei Differentialdiagnosen bei Multipler Sklerose: Erstens neurologische Zeichen wie Schwindel, Sehstörungen, Sensibilitätsstörungen… und zweitens Rückenschmerzen mit Kribbeln oder brennendem Gefühl. So werden häufig die folgenden Erkrankungen erwähnt:

Lesen Sie die Patientengeschichte von Chrystele, die einen langen Weg bis zur Diagnose zurücklegte:

„Mein erster Rat würde lauten: Vertrauen Sie Ihren ersten Instinkten. Beharren Sie weiter darauf und stellen Sie sicher, dass Ihr Arzt Sie ernst nimmt, anstatt einfach von Arzt zu Arzt zu gehen und zu hoffen, den „einen“ zu finden, der herausfindet, was mit Ihnen nicht stimmt. Die Wahl des „richtigen Arztes“ ist nie einfach, und jede Fehldiagnose lässt Ihre Angst nur wachsen.“

MS-Behandlungen

Es gibt eine medikamentöse Behandlung, die sogenannte Basistherapie, die verschrieben wird, um die Dauer und Intensität der Schübe bei einer RRMS zu reduzieren. Diese muss an die spezifische Form der Multiplen Sklerose angepasst werden.
Über dieses Protokoll hinaus erfolgt die medizinische Betreuung ebenfalls durch:

  • Die Linderung bestimmter, mit den Schüben verbundener, Symptome durch Behandlungen, die nicht spezifisch für Multiple Sklerose entwickelt wurden
  • Funktionelle Rehabilitierung, um die Autonomie so lange wie möglich zu erhalten und die, mit der Immobilisierung verbundenen, Komplikationen zu begrenzen
  • Psychologische Unterstützung
  • Ein heilpädagogisches Programm

Die Basistherapie

Ziel der Basistherapie ist es, die Häufigkeit der Schübe und dadurch das Fortschreiten der Behinderung einzugrenzen. Sie sind bei schubförmig remittierender MS indiziert und werden in der Regel zum Zeitpunkt der Diagnose angeboten, da nachgewiesen wurde, dass ein früher Beginn der Basistherapie ein Faktor für eine bessere Langzeitprognose der Behinderung ist.

Immunomodulatoren werden als Erstlinientherapie verschrieben. Es handelt sich hierbei um Interferon-beta (Betaferon, Rebif, Avonex), Substanzen, die natürlich vom Körper hergestellt werden, um die Vermehrung von Viren zu hemmen und die Aktivität bestimmter Zellen anzuregen. Dem College of Teachers of Neurology zufolge reduzieren sie die Häufigkeit von Schüben um 30 bis 50%. Im Allgemeinen ist ihre Verträglichkeit zufriedenstellend, mit Ausnahme von grippeähnlichen Symptomen und Hautreaktionen einige Stunden nach der Injektion während der ersten drei Monate der Behandlung. Ebenfalls kann Glatirameracetat (Copaxone) als Erstlinientherapie verschrieben werden, das einen anderen Wirkmechanismus und wenig Nebenwirkungen hat, aber ein gleichwertiges Ergebnis hervorruft.

Etwas jünger sind die beiden oralen Medikamente, Aubagio und Tecfidera, die ebenfalls als Erstlinientherapie eingesetzt werden können und mit unterschiedlichen Mechanismen agieren, auch hier mit einer vergleichbaren Gesamtwirksamkeit zu den oben genannten Behandlungsarten.

Immunsuppressiva (Mitoxantron, Gilenya, Ocrevus, Tysabri) werden als Zweilinientherapie eingesetzt oder bei aggressiven Formen, die die folgenden Kriterien erfüllen:

  • Eine sehr aktive Form der Erkrankung trotz Erstlinientherapie
  • Eine Form der schweren, schnell fortschreitenden, schubförmig remittierenden Erkrankung, die durch mindestens zwei Schübe innerhalb eines Jahres gekennzeichnert ist, die mit Läsionen einhergehen, die im MRT sichtbar sind.

Unter diesen Immunsuppressiva hat Natalizumab (Tysabri), da einen monoklonalen Antikörper enthält, einen selektiven immunsuppressiven Effekt, da es ein selektiver Inhibitor von Adhäsionsmolekülen ist. Es verhindert, dass Zellen ins Gehirn gelangen, die an der Entzündung des zentralen Nervensystems von MS-Patienten beteiligt sind. In klinischen Studien wurde gezeigt, dass diese Behandlungsart eine Verringerung der Anzahl der Schübe sowie die Verminderung der Bildung und Ausdehnung der Hirnläsionen hervorbringt.

Mitoxantron wird nur selten eingesetzt, da es nur sehr eingeschränkt verwendet werden kann und zeitlich begrenzt eingesetzt ist (maximal 6 Infusionen).

Behandlung der Schübe

Kortikosteroide werden ebenfalls verschrieben, um die Entzündung zu reduzieren und die Intensität sowie Dauer der Schübe zu verringern. Die Dosierung ist in der Regel hoch und es wird intravenös verabreicht (bis zu 1 000mg Prednison pro Behandlung), was man einen „Bolus“ an Kortikosteroiden nennt. Allerdings gibt es zahlreiche mögliche Nebenwirkungen: Überreiztheit, Schlaflosigkeit, Wasser- und Salzeinlagerungen, Schwellungen im Gesicht sowie im Brustbereich, Akne, Muskelschwäche, Verdauungsprobleme. Neuere französische Studien bestätigten diese Behandlung auch in oraler Form mit den gleichen Dosen, obwohl es keine hochdosierten Tabletten gibt, was bedeutet, dass viele Tabletten eingenommen werden müssen. Es ist wichtig zu wissen, dass eine Behandlung der Schübe nicht zwingend erforderlich ist und mit dem Neurologen besprochen wird. Tatsächlich werden die kaum störenden Schübe nicht unbedingt behandelt, um eine häufige Kortisongabe zu vermeiden (da auf lange Sicht schädliche Folgen haben kann).

Schließlich kann bei einem Scheitern der intravenösen Kortikosteroidtherapie eine Plasmapherese in Betracht gezogen werden. Bei diesem Verfahren wird ein erheblicher Anteil des Plasmas durch das Ersatzprodukt Albumin in 4% ersetzt. Das Plasma von MS-Patienten enthält eine Bandbreite von Substanzen, die für das Nervensystem toxisch sein können, darunter Antikörper gegen die Myelinproteine. Diese Antikörper können ebenfalls an dem Angriff auf das Myelin in entzündlichen Plaques im Gehirn und Rückenmark beteiligt sind. Der Plasmaaustausch dauert in etwa drei Stunden und muss jeden zweiten Tag in bis zu fünf oder sechs Austäuschen durchgeführt werden. Diese Behandlungsmöglichkeit wird nur in außergewöhnlichen Fällen bei MS verwendet und wird häufiger bei anderen entzündlichen Hirnerkrankungen eingesetzt.

Behandlung der Symptome

Viele Symptome wie Müdigkeit, Muskelkrämpfe, Schmerzen oder Probleme beim Wasserlassen können durch verschieden Behandlungsmöglichkeiten gelindert werden:

  • Müdigkeit: Aufteilung der Anstrengungen, Anpassung des Lebensrhythmus und Amantadin.
  • Spastik: motorische Krankengymnastik mit Muskelrelaxantien (Baclofen oder Dantrolen), wenn sie diffus vorkommt; motorische Krankengymnastik mit intramuskulären Botulinumtoxin-Injektionen, sofern die Spastik fokal ist.
  • Neurologische Schmerzen: zentral wirkende Analgetika (Tramadol) oder antiepileptische Psychopharmaka (Gabapentin, Pregabalin, Carbamazepin)
  • Blasen-Schließmuskel-Störungen: Anticholinergika, Alphablocker oder Blasenselbstkatheterisierung, je nach Art der Symptome.

Nicht-medikamentöse Therapien

Krankengymnastik ist bei der Behandlung von Multipler Sklerose unerlässlich, wenn der Patient unter Gleichgewichtsstörungen, Ungeschicktheit, Steifheit oder Gehschwierigkeiten leidet. Ein spezialisierter Physiotherapeut hilft dabei, die Probleme zu verbessern und ihre Verschlechterung zu verhindern, aber er wird dem Patienten auch beibringen, besser mit dem Handicap zu leben.

Die Phsyiotherapie wirkt ähnlich. Ebenfalls sollten Akupunktur, Entspannung, Selbsthypnose, Meditation, Sophrologie sowie Psychotherapie nicht vergessen werden.
Die Betreuung eines MS-Patienten muss vielseitig gerichtet sein, um diesen bestmöglich zu unterstützen.
Bemerkenswert ist auch der Erfolg von Produkten auf CBD-Basis (Cannabidiol, ein natürliches Cannabis-Derivat), die helfen, schmerzhafte Spasmen zu vermindern. In einigen Regionen laufen Experimente, um Cannabis für den therapeutischen Einsatz zu testen.

Leben mit der Krankheit

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wird die Lebensqualität einer Person durch ihre körperliche Gesundheit, ihren psychischen Zustand, ihren Grad der Unabhängigkeit sowie ihre sozialen Beziehungen beeinflusst. MS kann - wie jede chronische Erkrankung - diese Lebensqualität beeinträchtigen. Es gibt jedoch Möglichkeit, die Symptome, Ängste und Schwierigkeiten im sozialen und beruflichen Umfeld zu meistern.

Arbeit

MS trifft meistens junge Erwachsene, die am Anfang ihres beruflichen Lebens stehen. Allerdings hindert die Krankheit sie nicht an der Integration in die Arbeitswelt.

Die Patienten haben die Möglichkeit, eine berufliche Karriere mit ihrer Verantwortung und Beförderungen zu verfolgen. Dies bedeutet auch, dass man lernt, sich an die Entwicklung der Krankheit durch eine Anpassung des Arbeitsplatzes, therapeutische Teilzeitarbeit in bestimmten Perioden oder auch durch die Anerkennung des Status als behinderter Arbeitnehmer anzupassen. Und wenn die Symptome es schließlich unmöglich machen zu arbeiten, gibt es verschiedene finanzielle Hilfen wie die Erwerbsminderungsrente oder die Invalidenrente.

Umfeld

MS erfordert eine ständige Anpassung an die Krankheit. Und diese Situation ist so frustrierend, wie sie unvorhersehbar ist. Es braucht nur einen weiteren Schub, damit eine wichtige Körperfunktion plötzlich beeinträchtigt wird. Dazu kommen noch tägliche Symptome wie Müdigkeit, kognitive Symptome oder Sprachschwierigkeiten. Diese Situation kann sowohl für den Patienten als auch für sein Umfeld schwer zu beherrschen sein. MS führt daher oft zu Angst, Unverständnis, Wut oder Depression. Um einen gewissen Alltag sowie affektive Bindungen beizubehalten, ist Kommunikation unerlässlich. Jeder muss Zugang zu entsprechenden Informationen haben, damit eine Diskussion möglich ist. Es existieren viele Hilfsmittel, um Patienten dabei zu unterstützen, das Thema Krankheit mit ihren Angehörigen oder ihren Kindern zu besprechen, wie z.B. die verschiedenen Seiten der Vereine, die Videos der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft oder der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft Bundesverband e.V..

Leben als Paar

MS wirkt sich oft auf die Beziehung aus. Emotionale Beziehungen und die Sexualität werden durch Müdigkeit, Veränderungen der Sensibilität, Spastik, Zittern, sexuelle Probleme oder einfach durch den schwierigen emotionalen Kontext (depressiver Zustand, Partner-Helfer) gestört. Es ist notwendig, die Kommunikation mit dem Partner zur Priorität zu machen und ein gutes Umfeld zu haben. Zum Beispiel kann es für Partnerschaften gut sein, gemeinsam den Neurologen aufzusuchen. So können alle Fragen über die Krankheit und ihre Auswirkungen auf das Leben als Paar gestellt werden. Man sollte auch nicht zögern, sexuelle Probleme mit dem Neurologen zu besprechen; dieser kann dem Paar empfehlen, einen Sexologen aufzusuchen.

Es ist wichtig anzumerken, dass MS in den meisten Fällen einer Schwangerschaft nicht im Wege steht. Der Wunsch, schwanger zu werden, kann in Absprache mit dem Neurologen und einem, mit der Krankheit vertrauten, gynäkologischen Team in Betracht gezogen werden. Eine Schwangerschaft muss gut vorbereitet werden, um die Basistherapie zu unterbrechen und die medizinische Betreuung anzupassen.

Körperliche Aktivität

Eine angepasste körperliche Aktivität ist unerlässlich! Sie erlaubt, die muskulären und funktionellen Kapazitäten zu erhalten, die Ausdauer sowie das Gleichgewicht zu verbessern, aber auch besser mit der Müdigkeit klarzukommen und gegen Depressionen anzukämpfen. MS-Patienten wird daher empfohlen, zwei bis dreimal pro Woche eine halbe Stunde körperlich aktiv zu sein, zusätzlich zur Krankengymnastik.

Zu beachten gilt, dass bei einer Minderheit der Patienten eine plötzliche Verschlimmerung der Symptome auftritt, wenn die Körpertemperatur ansteigt. Es handelt sich hierbei um das Uhthoff-Phänomen, welches bei Sonnenlicht, Fieber oder zu intensiver körperlicher Aktivität auftreten kann. Es ist keinesfalls ein Zeichen für ein Fortschreiten der Krankheit, sondern lediglich eine vorübergehende Blockade der Nervenimpulse. Diese Symptome hören auf, sobald sich die Körpertemperatur wieder normalisiert.

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Autor: Carenity Redaktionsteam, Redaktionsteam

Das Redaktionsteam von Carenity besteht aus erfahrenen Redakteuren und Spezialisten im Gesundheitsbereich, die sich zum Ziel gesetzt haben, unvoreingenommene und qualitativ hochwertige Informationen anzubieten.... >> Mehr erfahren

Wer hat es korrigiert: Laurent Suchet, Neurologe

Neurologe, ehem. Chef- und Oberarzt, Hôpital Européen de Marseille, Forschungen zu MS.

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